Silvester in Berlin "Wir haben die Feuerwehr erfolgreich geschützt"
Vor allem in Berlin gab es im Vorfeld Sorgen über Ausschreitungen - und eine politische Debatte. Am Neujahrstag spricht die Feuerwehr von einem "normalen Silvester". Die Bilanz der Polizeigewerkschaft fällt gemischt aus.
Nach der Silvesternacht ziehen Einsatzkräfte und Politik in Berlin eine positive Bilanz. Ersten Erkenntnissen zufolge gab es 30 Übergriffe auf Einsatzkräfte und Fahrzeuge der Feuerwehr, wie die Berliner Feuerwehr mitteilte. Dabei sei niemand verletzt worden.
Polizeisprecherin Anja Dierschke meldete 54 verletzte Polizistinnen und Polizisten, davon 30 durch Pyrotechnik. Insgesamt seien 720 Ermittlungsverfahren zu Vorfällen im gesamten Stadtgebiet in der Zeit von 18 Uhr bis 6 Uhr eingeleitet worden.
Wegen der Ausschreitungen zum Jahreswechsel vor einem Jahr, bei denen es 69 Übergriffe auf Feuerwehrleute gab und 15 Helfer verletzt wurden, hatte es zuvor eine politische Debatte um die Silvesternacht gegeben. Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner hatte am frühen Abend ein hartes Vorgehen der Polizei bei Randale angekündigt. Man habe viel für die Prävention getan, sagte der CDU-Politiker. "Und heute ist die Nacht, wenn es denn notwendig ist, die Nacht der Repression."
Faeser kündigte vorab "hartes Durchgreifen" an
Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte im Vorfeld "äußerste Wachsamkeit" zugesichert. Die SPD-Politikerin kündigte ein "hartes Durchgreifen" bei Attacken gegen Polizisten an. Besonders im Blick war der Berliner Bezirk Neukölln, wo Jugendliche vor einem Jahr Raketen auf Polizisten und Rettungswagen schossen. Die damalige Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey zeigte sich "erschüttert" und sprach von einer "Zäsur". Die SPD-Politikerin rief einen "Gipfel gegen Jugendgewalt" ein.
Deutlich erhöhte Polizeipräsenz
Für den Jahreswechsel von 2023 zu 2024 hatte die Berliner Polizei vorab eine deutliche stärkere Präsenz angekündigt. Das Einsatzkonzept sollte stärker darauf ausgerichtet sein, Gewalttaten zu verhindern. "Wir sind zufrieden mit unserem Einsatz, wir haben die Feuerwehr erfolgreich geschützt", sagte ein Polizeisprecher gegen 3 Uhr am Neujahrsmorgen.
Das Konzept mit Böllerverbotszonen und vorab definierten Brennpunktbereichen sei aufgegangen, erklärte Sprecherin Dierschke am Vormittag. Durch "konsequentes und niedrigschwelliges Einschreiten" sei es gelungen, Brennpunkte zu vermeiden.
Die deutlich erhöhte Polizeipräsenz im Stadtgebiet habe dazu geführt, dass es auch mehr Festnahmen gegeben habe, so Dierschke. Nach den Angaben der Sprecherin waren zu den rund 1.000 Polizistinnen und Polizisten in Streifenwagen sowie Wachen mehr als 3.200 zusätzliche Einsatzkräfte im Einsatz. Es handele sich um vorläufige Zahlen zum Silvestereinsatz.
"Im Vergleich zum Vorjahr glimpflich"
Ein Sprecher der Berliner Feuerwehr sprach von einem "normalen Silvester". Es habe keine größeren Einsätze für die Berliner Feuerwehr gegeben. Insgesamt seien die Helfer zu 1.598 Einsätzen von 19 Uhr bis 6 Uhr am Morgen ausgerückt - 119 Fälle weniger als im Jahr zuvor. Im Alltag gebe es 1.450 Einsätze am Tag.
"An diesem ersten Januartag können wir sagen, dass der Jahreswechsel aus Sicht der Berliner Feuerwehr im Vergleich zum Vorjahr glimpflich abgelaufen ist", erklärte Landesbranddirektor Karsten Homrighausen.
Faeser wertet Einsatz als Erfolg
Bundesinnenministerin Faeser wertete den massiven Polizeieinsatz in mehreren Städten als Erfolg. "In Berlin und auch in anderen Städten hat sich gezeigt, dass ein starker Einsatz mit deutlich verstärkten Kräften und ein frühes Durchgreifen die richtigen Mittel sind gegen Krawalle und Gewalt", erklärte die SPD-Politikerin. Auch die Böllerverbotszonen hätten sich als wirksames Instrument gezeigt.
Die Ministerin sprach den Einsatzkräften von Polizei, Rettungsdiensten und Feuerwehr ihren Dank aus. "Die Silvester-Einsätze sind besonders fordernd und gefährlich - umso größer ist mein Dank an alle Einsatzkräfte", so Faeser.
Berliner Innensenatorin zufrieden
Berlins Innensenatorin Iris Spranger zeigte sich ebenfalls zufrieden mit dem Einsatz in der Silvesternacht. Es habe sich gezeigt, dass die monatelangen Vorbereitungen von der Berliner Feuerwehr, der Berliner Polizei und ihres Hauses in Sachen Prävention und konsequenter Intervention aufgegangen seien, teilte die SPD-Politikerin beim Twitternachfolger X mit.
Spranger verurteilte zugleich die erneute Gewalt gegen Rettungskräfte: "Aber eines ist auch klar: Ich verurteile jede einzelne Gewalttat. Und jede verletzte Kollegin, jeder verletzte Kollege ist eine bzw. einer zu viel."
Gemischte Bilanz der Polizeigewerkschaft
Die Bilanz der Gewerkschaft der Polizei (GdP) fällt dagegen gemischt aus. Zum einen sei der Trend zu immer mehr Gewalt am Jahreswechsel gebrochen worden, doch es gebe keinen Anlass zu Entwarnung. Auch diese Silvesternacht sei alles andere als friedlich verlaufen - etwa bei einer Massenschlägerei mit 500 Beteiligten in Berlin. Auch der vereitelte Terroranschlag auf den Kölner Dom und gezielte Angriffe auf Polizisten und Einsatzfahrzeuge in Leipzig, Frankfurt, Freiburg und Solingen seien Beispiele.
"Natürlich freuen wir uns, dass der Trend zu immer mehr Gewalt in der Silvesternacht gestoppt werden konnte, aber die Täter müssen nun von den Gerichten schnellstmöglich verurteilt werden", sagte der GdP-Bundesvorsitzende Jochen Kopelke. "Das ist bislang die absolute Ausnahme, weil die Angriffe oft aus dem Schutz einer anonymen Gruppe heraus begangen werden."
Die Gewerkschaft kritisierte auch, dass es eine deutliche gestiegene Einsatzbelastung gebe. "Großeinsätze wie in der Silvesternacht gehen an die Substanz", so Kopelke.
Erneute Gewalt gegen Rettungskräfte
Jeder Angriff auf Einsatzkräfte sei inakzeptabel, sagte auch Landesbranddirektor Homrighausen von der Berliner Feuerwehr. "Wir werden das nicht tolerieren und in jedem einzelnen Fall Strafantrag stellen."
Die Gewerkschaft Ver.di fordert die Arbeitgeber zu besseren Schutzmaßnahmen auf. Diese müssten ihren Fürsorgepflichten gegenüber den Beschäftigten deutlich mehr nachkommen. Die Silvesternacht habe besonders deutlich gezeigt, welcher Gewalt viele Beschäftigte im öffentlichen Dienst ausgesetzt sind.
"Gewalt gegen Beschäftigte im öffentlichen Dienst darf keinesfalls als Berufsrisiko in Kauf genommen werden", betonte die stellvertretende Ver.di-Vorsitzende Christine Behle. "Arbeitgeber und Dienstherren fordern wir auf, Übergriffe gegen Einsatzkräfte zu dokumentieren und zur Anzeige zu bringen, Betroffenen Rechtsschutz bei der Strafverfolgung zu gewähren sowie nicht durchsetzbare Schmerzensgeldansprüche zu übernehmen."