Lars Klingbeil, Olaf Scholz, Saskia Esken, Alexander Dobrindt und Friedrich Merz im Gespräch

Führungsrollen in der Politik Männer fast unter sich

Stand: 08.03.2025 05:32 Uhr

Überwiegend männliche Abgeordnete im Bundestag, hauptsächlich Männer, die Sondierungsgespräche für eine zukünftige Regierung führen. Was in den 1990er-Jahren normal war, scheint es 2025 wieder zu sein.

Von Nicole Kohnert und Gabor Halasz, ARD-Hauptstadtstudio

Geht man aktuell über die Flure des Bundestages, ist es nicht unwahrscheinlich, dass man einem "Thomas" begegnet. Oder auch einem "Michael". Vielleicht auch noch einem "Stefan". Zumindest sind das die häufigsten Namen der neuen Abgeordneten im 21. Parlament.

Frauen sind nach wie vor die Minderheit im Parlament. Weniger als ein Drittel der Abgeordneten sind weiblich, von 630 gerade mal 204 Frauen.

Dieses Ungleichgewicht gab es schon im vergangenen Parlament. Doch es ist größer geworden. Und mit den Gesprächen über eine zukünftige Regierung weht nun zusätzlich ein anderer Wind in Berlin. Ein männlicher - das zeigte sich zuletzt auf den Social Media-Kanälen der Union: Ein Foto mit einem reichlich gedeckten  Frühstückstisch, zu sehen sind sechs Männer, Spitzenpolitiker der Union. Ein Foto davon postet CSU-Chef Markus Söder. "Wir sind bereit für einen Politikwechsel", schrieb Söder darunter. Und sorgt damit für Spott, aber auch Wut.

"Bei solchen Funktionen sollten doch auch Frauen dabei sein?", fragte TV-Moderator Markus Lanz daraufhin den CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann. "Ja, absolut, absolut", reagiert Linnemann.

Eine Frau in einer Führungsposition ist Silvia Breher. Sie ist Stellvertretende Vorsitzende der CDU und betont immer wieder, dass das nicht das Bild der Union sein sollte. "Ich habe mich über dieses Foto sehr geärgert, weil es ist natürlich so, dass sechs Männer diese Positionen in der Partei innehaben", sagt Breher. "Aber dann muss ich es zumindest nicht posten."

Bei der Union liegt der Frauenanteil im Bundestag nur noch gut bei 22 Prozent. Es sei wichtig, dass die Union Frauen habe, von der Basis an bis in die Parteispitze, sagt Breher. "Sie müssen sichtbar sein und Vorbild sein. Und gemeinsam haben wir eine Verantwortung, dass die Frauen auch Wahlkreise bekommen, sich durchsetzen können", so Breher.

"Das machen die Männer eher unter sich aus"

Eine Frau, die derzeit sichtbar ist, ist SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken. Sie ist im Sondierungsteam von SPD und Union. Doch auch mit ihr ging ein Foto durch die Social-Media-Kanäle, das Bände spricht. Zu sehen sind vier Männer, darunter Olaf Scholz, Friedrich Merz und SPD-Co-Chef Lars Klingbeil am Tisch, an der Seite: Saskia Esken.

Der Eindruck: Die vier Männer diskutieren ausschließlich unter sich. Ein Eindruck, den Saskia Esken sich auch von dem Bremer Politikwissenschaftler Lothar Probst bei Phoenix anhören musste. Die Männer würden in den Gesprächen zwischen Union und SPD die Themen "eher unter sich ausmachen". Esken würde "wahrscheinlich keine so große Rolle spielen".

Ein Satz, der Esken traf. Am nächsten Tag reagierte sie prompt mit einer "persönlichen Anmerkung" darauf: "All die wichtigen Fragen, die Sie jetzt gestellt haben und die wir zu besprechen haben, werden ganz sicher nicht die Männer unter sich ausmachen", sagt Esken in die Kamera - und geht.

Besonders viele Männer bei der AfD

Wenn die weibliche Perspektive, die weibliche Stimme fehlt, dann wirkt sich das aus. Auch im Bundestag.

Dass im neu gewählten Bundestag so wenige Frauen sitzen, liegt ganz besonders an der AfD. Die schickt 134 Männer und nur 18 Frauen ins Parlament.

Es ist eine Partei, die von deutlich mehr Männern als Frauen gewählt wird. Woran das liegt, darüber streitet sich die Partei auch auf offener Bühne. "Ich glaube, dass es durchaus den Männern im Blut liegt, zu kämpfen", sagt René Springer von der AfD im September 2024 nach der Brandenburg-Wahl. "Frauen sind genauso Kämpferinnen wie Männer. Sie stehen dem in nichts nach", sagt dagegen die AfD-Parteivorsitzende Alice Weidel.

Es fehlen die Vorbilder

Auch wenn es um Führungspositionen geht, sind Frauen immer noch unterrepräsentiert. Bettina Kohlrausch von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung bekommt jedes Jahr zum Frauentag die selben Fragen gestellt. Das nervt sie.

"Ich kann dann auch Lippenbekenntnisse zum 8. März nicht besonders ernst nehmen", sagt Kohlrausch. "Und besonders allergisch reagiere ich inzwischen auf Rosen. Ich möchte gleiche Bezahlung." Um das zu erreichen, brauche es auch Vorbilder in der Politik.

"Ich glaube schon, dass es beispielsweise für meine Kinder eine gute Erfahrung war, dass sie erlebt haben, dass eine Frau Bundeskanzlerin sein kann. Und diese Vorbildfunktion darf man nicht unterschätzen, auch gerade für junge Frauen", sagt Kohlrausch. Es gehe aber auch ganz konkret darum, die entsprechenden Themen auf die Agenda zu setzen.

Ob sich das schnell ändert? Im Bundestag mangelt es an Vorbildern in den kommenden vier Jahren.