Pläne der Bundesregierung Reicht die Krankenhausreform aus?
Zu wenig Personal, zu wenig Medikamente, zu wenig Geld. Die geplante Krankenhausreform des Bundes soll deutschen Kliniken helfen. Doch reicht das? Und was wäre nötig, um Krankenhäuser wirklich zukunftsfest zu machen?
Heyo Kroemer ist richtig sauer, wenn er an die Recherche von Stern und RTL in der Berliner Charité denkt. Undercover hatten Journalisten recherchiert und gedreht, um Missstände in einer der größten Unikliniken Europas aufzudecken. Sie zeigten Personalmangel in der Patientenbetreuung und in der Ausbildung von Medizinstudenten, die in der Notaufnahme ohne erfahrenere Kollegen allein gelassen wurden.
Der Dreh sei eine Grenzüberschreitung gewesen und habe Patientenleben gefährdet, schimpft der Chef der Charité. Die Berichte seien zudem "unvollständig, überzogen und falsch". Man erwäge juristische Schritte. Allerdings, gibt Kroemer in einer Anhörung des Berliner Abgeordnetenhauses anlässlich der Berichte zu, gebe es durchaus vieles, das verbessert werden müsste. Nur betreffe das nicht allein die Charité, sondern alle Krankenhäuser deutschlandweit. Denn die Lage sei tatsächlich schlecht - überall.
Diese Bewertung teilen alle, die sich mit der Situation der Krankenhäuser beschäftigen. So, wie es ist, kann es nicht weitergehen, sagen Beschäftigte, Krankenkassen, Wissenschaft und Politik. Deshalb arbeitet die Bundesregierung an einem Krankenhausreformgesetz, das hier Abhilfe schaffen soll.
Die Grundideen: weniger Krankenhäuser, besser organisieren, anders finanzieren. Und grundsätzlich seien das Schritte in die richtige Richtung, auch darüber herrscht große Einigkeit. Doch im Detail wird es schwierig. So wie bei der Frage, reicht diese Reform überhaupt, um grundsätzlich etwas zu verbessern?
Deutschland hat zu viele Krankenhäuser
Dass Deutschland zu viele Krankenhäuser für die vorhandenen finanziellen Mittel hat, gilt inzwischen als unstrittig. Das Geld reicht nicht für alle. Immer wieder werden Kliniken geschlossen oder stehen vor der Pleite. Viele werden nur durch ihre Kommunen oder Landkreise mit Dauerzuschüssen am Leben gehalten. Um das zu ändern, gäbe es zwei Möglichkeiten: mehr Geld für die vorhandenen Krankenhäuser oder weniger Krankenhäuser. Bis auf die Krankenhausbetreiber plädieren alle anderen für eine Reduzierung der Zahl der Kliniken.
Zum einen, weil schon jetzt viel Geld für die stationäre Behandlung ausgegeben wird - allein die gesetzlich Krankenversicherten zahlten im vergangenen Jahr 94 Milliarden Euro, das entspricht fast einem Drittel aller Ausgaben der GKV.
Zum anderen, weil es zu viele Betten deutschlandweit gibt. "Die Auslastung liegt gerade mal bei 70 Prozent", sagt Reinhard Busse von der TU Berlin. Viele Betten stünden leer, kosteten Geld ohne Leistung, bänden Personal, das ja anderswo gebraucht werde. "Fachkräftemangel in der Pflege ist Quatsch", spitzt er zu. Wenn Pflegepersonal und Ärzte in weniger, aber besser ausgestatteten Kliniken eingesetzt würden, gäbe es keinen Mangel. Deutschland habe nach Irland und Finnland die höchste Zahl an Pflegekräften pro Kopf europaweit. Das sollte doch eigentlich reichen.
Widerstand aus den Bundesländern
Im Krankenhausreformgesetz ist eine solche Reduzierung der Kliniken eigentlich vorgesehen. Aber dagegen formiert sich Widerstand in den Bundesländern. Sie wollen bestimmen, welche Standorte erhalten bleiben. Und es zeichnet sich ab: Kaum eine Landesregierung traut sich, Kliniken in ihrem Bundesland zu schließen. Im Gegenteil, Landesgesundheitsminister versprechen immer wieder: Wir erhalten alle Krankenhausstandorte.
Denn der Protest ist enorm, wenn ein Krankenhaus geschlossen werden soll. Die Menschen befürchten lange Wege zur nächsten Klinik, Kommunen bangen um ihre Attraktivität, wenn sie nicht einmal ein Krankenhaus für ihre Bevölkerung haben.
Dabei sei das einfach ein Denkfehler, sagt Hartmut Reiners, Gesundheitsökonom und Publizist. "Die Nähe zu einem Krankenhaus heißt gar nichts, wenn es nicht ausreichend leistungsfähig ist." Wenn die Klinik um die Ecke keine Ausstattung für Herzinfarkte oder Schlaganfälle habe, nütze sie Betroffenen auch nichts. Oder ein Kreissaal ohne angegliederte Kinderstation. Lieber in speziell ausgerüsteten Krankentransporten länger in eine richtige Klinik fahren und dann gut versorgt werden, schlägt er vor.
Denn eigentlich würden die Menschen etwas gewinnen, wenn es weniger, aber bessere Krankenhäuser gebe, sagen Experten wie Reiners und Busse. Die Behandlungsqualität sei in vielen Häusern derzeit nicht ausreichend. Das müsse von der jeweiligen Landespolitik besser kommuniziert werden, statt immer populistisch die Ängste der Menschen zu schüren.
Ambulante und stationäre Versorgung besser verbinden
Ohnehin plädieren Fachleute für eine grundlegende Änderung der Strukturen im Gesundheitswesen. Die strikte Trennung zwischen stationärer und ambulanter Versorgung sei teuer und unsinnig. In Deutschland würden zu viele Menschen stationär behandelt, bei denen das gar nicht nötig wäre. "Da werden Patienten nach einer Behandlung ins Bett gelegt, weil sich das für die Krankenhäuser nur so rechnet. Aber eigentlich passiert sonst nichts", erklärt Busse. Umgekehrt fehle Personal in der ambulanten Versorgung, das in Krankenhäusern gebunden sei. So dass die ambulanten Praxen überlastet seien und die Patienten dadurch ins Krankenhaus gedrängt würden.
Aber dieses historisch gewachsene Problem sei schwer zu reformieren, wenn jeder Bereich immer nur seine Interessen sehen würde, befürchten die Experten. Jeder weise immer auf den jeweils anderen, der zuerst etwas ändern müsse. Die niedergelassenen Ärzte fühlen sich überlastet, die Krankenhäuser unterfinanziert. Die Bundesregierung habe hier auch nur halbherzig Änderungen geplant.
Nur bei der Reform der Notfallversorgung sind zum Beispiel ambulante Praxen in Kliniken geplant, die die Rettungsstellen entlasten sollen. Aber auch da gibt es Kritik von den niedergelassenen Ärzten, die sagen, sie hätten keine Kapazitäten für zusätzliche Aufgaben.
Zu wenig Geld und falsch finanziert
Und es bleibt auch wieder die Frage nach einer ausreichenden Finanzierung. Die steht ohnehin über allen Reformplänen der Bundesregierung. Die Krankenhausreform etwa plant eine andere Form des Systems der Krankenhausfinanzierung. Die bisher genutzten Fallpauschalen, also feste Vergütungen für Behandlungen nach ihrer Anzahl, soll durch eine sogenannte Vorhaltepauschale ergänzt werden. Die Kliniken bekommen dann Geld dafür, dass sie bestimmte Leistungen grundsätzlich anbieten.
Das war die Idee der Experten, die für das Bundesgesundheitsministerium die Reformvorschläge erarbeitet hatten. Reinhard Busse gehörte dazu und auch Wolfgang Greiner von der Uni Bielefeld. Sie kritisieren nun, dass in den Verhandlungen mit den Ländern eine Aufweichung des Prinzips drohe. Es gehe wieder mehr um geleistete Mengen statt um den tatsächlichen Bedarf.
Für Greiner aber ist das größte Problem, dass seiner Auffassung nach die Veränderung der Krankenhauslandschaft falsch finanziert werden soll. Der geplante Transformationsfonds sei mit 50 Milliarden Euro für zehn Jahre nicht ausreichend. Das Doppelte sei notwendig. Zudem kritisiert er, dass die Hälfte der Gelder im Fonds von den gesetzlichen Versicherten kommen solle. Strukturwandel sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und nicht Teil der Krankenversicherung. Die Kassen hätten gute Chancen, wenn sie gegen diese Pläne vor Gericht ziehen. Das aber sei ein großes Problem, denn es würde die Reform, die ohnehin zu spät komme, noch weiter verzögern.
Das wäre auch für Heyo Kroemer und die Charité keine gute Nachricht. Denn, wenn es selbst in einer so renommierten und vergleichsweise gut ausgestatteten Klinik wie der Charité überall Mangel gebe, dann sei eine Reform nicht nur nötig, sondern schnell nötig. Darüber sind sich alle einig.