Tod eines jesidischen Mädchens IS-Rückkehrerin droht höhere Strafe
Jennifer W. soll einem jesidischen Mädchen tatenlos beim Sterben zugesehen haben. Dafür wurde sie zu zehn Jahren Haft verurteilt. Wegen Rechtsfehlern muss neu verhandelt werden, entschied jetzt der Bundesgerichtshof.
Das Oberlandesgericht (OLG) München muss neu über die Strafe der IS-Rückkehrerin Jennifer W. verhandeln. Der Bundesgerichtshof (BGH) erklärte in Karlsruhe, dass das Münchner Urteil Rechtsfehler enthalte. Das OLG habe nicht die "menschenverachtenden Beweggründe und Ziele" der Angeklagten berücksichtigt, so der BGH. Die Revision des Generalbundesanwalts hatte damit Erfolg. Der 31-Jährigen droht eine härtere Strafe.
Jennifer W. soll 2015 im Irak zugesehen haben, wie ein von ihrem Ex-Mann angekettetes jesidisches Mädchen in sengender Hitze verdurstete, ohne einzuschreiten. Dafür war sie im Oktober 2021 in München unter anderem wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit durch Versklavung mit Todesfolge verurteilt worden.
"Durchgreifende rechtliche Bedenken"
Wegen verschiedener Gesetzesverstöße hatte das OLG die Frau aus Lohne in Niedersachsen zu zwei Freiheitsstrafen von insgesamt zehn Jahren Haft verurteilt. Für Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Versklavung mit Todesfolge verhängte das OLG neun Jahre. Dieses Urteil hob der BGH jetzt zum Teil auf.
Wie der Vorsitzende Richter Jürgen Schäfer in Karlsruhe sagte, begegne die Annahme eines minderschweren Falls "durchgreifenden rechtlichen Bedenken". Der BGH zweifelte daran, dass das Münchner Gericht alle Umstände berücksichtigt habe. So seien etwa W.s Beweggründe und Ziele nicht als möglicherweise straferschwerend erörtert worden. Dabei "drängt es sich auf, sie als menschenverachtend zu bewerten", sagte Schäfer. Er verwies unter anderem darauf, dass W. das Ziel des IS gebilligt habe, die religiöse Gruppe der Jesiden zu zerstören.
Ein anderer Senat des Oberlandesgerichts muss nun noch einmal neu verhandeln und über die Höhe der Strafe entscheiden. In den übrigen Punkten - unter anderem wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland und wegen Beihilfe zum versuchten Mord - ist das Urteil gegen die 31-Jährige rechtskräftig.
Ex-Mann zu lebenslanger Haft verurteilt
Auch Jennifer W. selbst hatte sich mit einer Revision an den BGH gewandt. Diese wurde aber von den obersten Strafrichterinnen und -richtern verworfen. Ihr irakischer Ex-Mann, der die Fünfjährige zur Strafe an ein Gitter im Hof gekettet hatte, ist bereits rechtskräftig zu lebenslanger Haft verurteilt worden, auch wegen Völkermordes. Er hatte das Mädchen und dessen Mutter als Sklavinnen gekauft, nachdem diese von der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) verschleppt worden waren.
Jesiden sind Kurden aus dem Irak, Syrien, der Türkei und dem Iran. Sie bilden eine religiöse Minderheit. Der IS hatte 2014 die Region um das Sindschar-Gebirge im Nordirak überrannt und dabei mehr als 5000 Angehörige getötet. Frauen und Mädchen wurden verschleppt, versklavt und vergewaltigt. Der Bundestag hatte die Verbrechen im Januar als Völkermord anerkannt.