Besuch des türkischen Präsidenten Wie Erdogan-Lobbyisten den Israel-Hass anheizen
Der türkische Präsident Erdogan versucht, seine Sicht auf den Nahost-Krieg mit Hilfe einflussreicher Funktionäre auch in Deutschland zu verbreiten. Sie erreichen hierzulande viele türkischstämmige Menschen.
Tugrul Selmanoglu lebt in Deutschland und ist ein einflussreicher Funktionär der UID, der "Union der Internationalen Demokraten" mit Sitz in Köln. Mehrfach hat er den türkischen Präsidenten getroffen, stolz ein Foto von Recep Tayyip Erdogan und sich selbst auf Social Media gepostet.
"Heute, nicht morgen! Heute müssen alle muslimischen Länder zusammenkommen, alle Streitigkeiten, alle weltlichen Sorgen beiseite legen und eine militärische Operation durchführen", sagt er zum Nahost-Krieg in einer Internet-Talkshow des AKP-nahen türkischen YouTubers Abdurrahman Uzun. Damit ist die große Linie vorgegeben. Die muslimische Welt gegen Israel und damit gegen "den Westen".
Verein im Fokus des Verfassungsschutz
Die UID mit Sitz in Köln spielt bei der Mobilisierung der türkeistämmigen Menschen in Deutschland eine wichtige Rolle. Den Verein kennt der Politologe und Migrationsforscher Burak Copur genau: "Die UID ist letztlich auch eine Propagandazentrale, die sich ganz klar für die Mobilisierung der AKP-Wählerinnen und Wähler einsetzt und die politischen Interessen Erdogans hier in Deutschland vertritt."
So ist die UID auch schon in den Fokus des Verfassungsschutzes gerückt. Copur betont: "Die UID wird vom Verfassungsschutz beobachtet, weil ihre Ziele nicht vereinbar sind mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung Deutschlands."
Erdogan sieht Hamas als "Befreiungsgruppe"
Auch auf Pro-Palästina-Demonstrationen sieht man den Einfluss Erdogans in Deutschland - immer wieder wehen hier türkische Fahnen. Erdogan sei "Vermittler zwischen den verfeindeten Parteien" und "Garant für den Frieden in der Region", hieß es von Menschen mit türkischem Einwanderungshintergrund etwa auf einer Demonstration vor einigen Wochen in Köln.
Doch was der türkische Präsident zu Israel sagt, klingt ganz und gar nicht nach einem Friedensstifter. Nach anfänglicher Zurückhaltung hat er mittlerweile einen klaren anti-israelischen und anti-westlichen Ton angeschlagen. Die Hamas sei keine Terrororganisation, sondern eine Befreiungsgruppe, sagte er auf einer Kundgebung in Istanbul mit Hunderttausenden Teilnehmern. Er droht Israel mit dessen Ende.
Der Staat Israel als "Monster"
Der UID-Funktionär Selmanoglu verurteilte gegenüber der ARD zwar zunächst die Terrorattacken der Hamas, dann jedoch sagte er: "Wenn jemand seine Mutter, seinen Vater an diesen Staatsterror verloren hat, dann wird der halt irre und handelt irre, weil sein ganzes Leben traumatisiert ist durch diesen Konflikt. Wenn man lange Zeit mit einem Monster kämpft, dann wird man selber zum Monster!"
Der Staat Israel als "Monster" - diese Meinung kommt offenbar auch in Teilen der türkischen Community in Deutschland an: "Hamas ist kein Terrorist. Nein. Israel ist Terrorist", sagte beispielsweise ein türkischstämmiger Mann in einem Interview in Köln-Mülheim gegenüber einer ARD-Reporterin.
Auf der Straße wird das gesagt, was UID-Funktionäre wie Adem Taflan auf X (ehemals Twitter) posten. "Der Einfluss der türkischen Regierung auf die eigenen Bürger im Ausland ist groß", sagt Hüseyin Çiçek, Politikwissenschaftler und Erdogan-Experte an der Universität Bonn. "Das ist darauf zurückzuführen, dass die AKP, seitdem sie an der Macht ist, die Auslandstürken sehr ernst genommen hat. Und wenn Konflikte wie derzeit die geopolitische Situation bestimmen, dann nutzt Erdogan diese unterschiedlichen Plattformen, um seine Message an die Bevölkerung zu bringen."
Ein Gegenpol zur Westlichen Welt
Tugrul Selmanoglu, einer von Erdogans Influencern in Deutschland, beschwört gegenüber seinen Followern die Einheit aller Muslime, versucht gar, Menschen auf einen Kampf gegen Israel einzuschwören. Der Türkei und ihrem Präsidenten misst der Erdogan-Lobbyist dabei eine besondere Bedeutung zu: "Es wird vielleicht jetzt nicht direkt ein neues Osmanisches Reich geben, aber es wird einen Nachfolger geben. Weil es seit dem Fall der Sowjetunion keinen Gegenpol mehr zum Westen gibt. Und auf lange Sicht wird es einen Gegenpol geben zu diesem Westen, zum Kapitalismus."
Politikwissenschaftler Çiçek beobachtet, wie Erdogan gerade versucht, neue Allianzen zu schmieden und Verbündete zu finden: "Präsident Erdogan will sich als das Sprachrohr der Umma, der muslimischen Gläubigen, präsentieren."
Ein neues Kalifat mit Erdogan als Anführer?
Wie das in der Vorstellung des UID-Funktionärs Selmanoglu aussehen könnte, zeigt ein Tweet auf der Plattform X. Hier fordert er ein Kalifat. Also einen Gottesstaat? Er beteuert im ARD-Interview, es solle kein neuer fundamentalistischer Islamischer Staat werden, vielmehr eine Union islamischer Länder, ein Gegenentwurf zur EU.
Eine Union, die auch jetzt gegen Israel in den Krieg ziehen könne: "Die muslimischen Länder haben insgesamt zusammen eine Armee, die 17 Millionen Mann stark ist, mit Pakistans Atomwaffen, mit einer sehr starken Luftwaffe wie die der Türkei, mit einer sehr starken Marine wie die von Ägypten. Ja, es gibt 17 Millionen Soldaten, aber es gibt keine Anführer, es gibt keinen Kalifen, es gibt keine diplomatische Institution, die das anführen kann."
Auf die Frage, wer denn dieser Anführer sein könne, antwortet er: "Natürlich wäre das der, der allen in den Sinn kommt." Die Reporterin hakt nach, ob er Präsident Erdogan meine. "Sie sagen es", erwidert Selmanoglu - und lacht. Und auch Erdogan darf sich wohl freuen, dass Funktionäre der UID, eines in Deutschland registrierten und von Köln aus agierenden Vereins, so ungehemmt von einem Kalifat schwärmen und Israel-Hetze betreiben dürfen.