Fünf Jahre Klimabewegung "Wie bleiben wir wirksam?"
Seit fünf Jahren gibt es "Fridays for Future". Welchen Einfluss hatte die Bewegung auf die deutsche Klimapolitik und was sind die Herausforderungen für die Zukunft?
Fünf Jahre "Fridays for Future": Klimaaktivistin Luisa Neubauer und der Vize-Fraktionschef der Union, Jens Spahn, haben einen recht unterschiedlichen Blick auf die Klimabewegung der Schüler und Studenten. Aber in einem sind sich Neubauer und Spahn praktisch einig - Einfluss auf die Stimmung im Land hatten die Klimaproteste allemal.
Aus Sicht von Neubauer ist es "Fridays for Future" gelungen, das Thema Klimawandel voll ins Bewusstsein der Gesellschaft zu rücken. "Man muss es sich vorstellen, davor war es ganz lange ein Öko-Nischen-Miniproblem für einige aus so einer grünen Öko-Ecke." Man haben das Thema da rausgeholt und in die Mitte der Gesellschaft gestellt.
Und CDU-Politiker Spahn konstatiert: "Es ist 'Fridays for Future' ohne Zweifel gelungen, das Thema präsenter zu machen." Insofern habe das schon gesellschaftlich einen Unterschied gemacht.
Schulstreik für das Klima
Im August 2018 begann Greta Thunberg in Schweden ihre Schulstreiks für das Klima. Schnell entstand daraus eine globale Bewegung - nur ein Jahr später, im September 2019, sprach Thunberg als 16-Jährige beim UN-Klimagipfel in New York, beklagte wütend die Versäumnisse beim Klimaschutz und fragte "How dare you?" - Wie können Sie es wagen?
Jens Spahn war zu der Zeit in der Großen Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel Gesundheitsminister, heute ist es als Unionsfraktionsvize für Klimaschutz zuständig. "Ich weiß noch, dass ich irgendwie unentschieden war mit mir selbst", erinnert sich Spahn heute. "Ob ich es beeindruckend oder fast schon ein bisschen übertrieben fand, als Greta Thunberg sich zum ersten Mal mit Angela Merkel und anderen Staats- und Regierungschefs getroffen hat und alle so ein Bohei um sie gemacht haben."
Damit hätten die Beteiligten den Eindruck zugelassen, dass ihnen da erst die Erkenntnis gekommen sei, dass Klimaschutz auch wichtig ist, sagt der CDU-Politiker.
Schülerdemo ''Fridays for Future'', 2019 in Berlin: Klimaschutz war längst Thema in Deutschland - aber über das Tempo der Umsetzung ließ sich streiten.
Klimaschutz war längst Thema in Deutschland
Als die ersten "Fridays for Future"-Demonstrationen in Deutschland starteten, arbeitete die sogenannte Kohlekommission gerade an Plänen für den bereits angepeilten Kohleausstieg. Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung betrug 2018 rund 40 Prozent. Klimaschutz war also längst Thema in Deutschland - aber über das Tempo der Umsetzung ließ sich streiten.
Und aus Sicht des grünen Verkehrspolitikers Stefan Gelbhaar haben die Proteste zusätzlichen Druck erzeugt. "Es ist natürlich so, dass die permanente Vermittlung des Themas Klimaschutz dazu geführt hat, dass über 90 Prozent der deutschen Bevölkerung sagen, da muss man mehr tun", ist Gelbhaar überzeugt. Und dieser Druck habe auch die anderen Parteien beeinflusst.
Neubauer: Grüne können sich nicht durchsetzen
Ein Thema setzen, die Agenda bestimmen. Das habe "Fridays for Future" geschafft, findet Gelbhaar. Und den Grünen als Klimaschutzpartei habe die Themensetzung sicher nicht geschadet.
Die Grünen sitzen inzwischen in der Regierung. Zusammen mit SPD und FDP. "Fridays for Future"-Sprecherin Neubauer ist auch Mitglied bei den Grünen. Die derzeitige Lage innerhalb der Ampel-Regierung sieht sie kritisch: "Natürlich können sich auch die Grünen mit bestem Ökogewissen, das sie teilweise doch an den Tag legen, nicht durchsetzen gegen fossile Stimmungen, die seitens des Kanzlers und seitens der FDP kommen." Das gehe so nicht auf. Neubauer fordert von ihrer Partei, rote Linien beim Thema Klimaschutz zu ziehen.
Wissing beklagt Polemisierung der Debatte
Immer wieder im Fokus der Kritik steht FDP-Verkehrsminister Volker Wissing. Denn im Verkehrssektor geht der CO2-Ausstoß kaum zurück, die Ziele des Klimaschutzgesetzes werden dort regelmäßig verfehlt. Wissing betont, dass der beschlossene Umstieg auf klimaneutrale Antriebe Zeit brauche.
"Verbote und Zwänge finden keine dauerhaften Mehrheiten in der Gesellschaft", sagt der FDP-Politiker. Wissing beklagt eine Polemisierung der Debatte: "'Fridays for Future' spricht von Arbeitsverweigerung, wenn andere Politik gemacht wird, als die, die sie für richtig hält. Ich kann nicht sagen: Entweder du setzt meine Meinung um, oder deine Arbeit ist nichts wert."
Erfolg: Das Klimaschutzgesetz
Mit dem Klimaschutzgesetz ist der wohl größte greifbare Erfolg von "Fridays for Future" verbunden. Neubauer und andere Anhänger der Gruppe erreichten 2021 mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht, dass die Regelungen im damals bestehenden Klimaschutzgesetz nachgebessert werden mussten.
Die Karlsruher Entscheidung gilt als weitreichend. Die Richter befanden, dass die Reduktion von Treibhausgasen nicht unverhältnismäßig nachfolgenden Generationen aufgebürdet werden dürften.
Spahn: Aktivismus darf nie Hauptantriebsfeder sein
Inzwischen ist es um "Fridays for Future" etwas ruhiger geworden. Zu Großdemonstrationen ruft die Gruppe inzwischen nur noch gelegentlich auf. Die "Klimakleber" der "Letzten Generation" prägen nun weitgehend das Bild. Und die Stimmung hat sich geändert. Klimaschutz polarisiert inzwischen stark - nicht zuletzt seit dem erbitterten Streit um das sogenannte Heizungsgesetz.
Nach fünf Jahren "Fridays for Future" spricht Neubauer davon, dass es um "radikale Wirksamkeit" gehe. "Wir müssen uns immer wieder fragen. Wie bleiben wir wirksam?" Und da gebe es nicht die eine Aktionsform, mit der man schneller vorankomme, so Neubauer. "Das Klimaschutzgesetz konnte nur verschärft werden, weil wir geklagt haben. Da hätte auch die größte Straßenblockade nichts gebracht."
Für CDU-Fraktionsvize Spahn ist klar, dass man Bewegungen wie "Fridays for Future" als Politiker wahrnehmen müsse, um zu verstehen, was die Leute antreibt. Aber: "Bewegung, Aktivismus darf für demokratische Politik, für repräsentative Politik nie Hauptantriebsfeder sein", so Spahn. Denn das führe schnell auf die schiefe Bahn.