Sondervermögen von der Regierung Klimaschützer fordern 100 Milliarden Euro
Fridays for Future fordert die Bundesregierung auf, ein Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro für den Klimaschutz bereitzustellen - auch, um den Ausbau erneuerbarer Energien zu beschleunigen. Rückendeckung kommt aus der Wissenschaft.
Die Klimabewegung "Fridays for Future" fordert von der Bundesregierung ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro, um den Ausstieg aus allen fossilen Energieträgern zu beschleunigen. Sprecherin Luisa Neubauer sagte, die Idee zu dem Sondervermögen sei durch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und das Sondervermögen für die Bundeswehr inspiriert worden. Die Forderung sei, nun Geld für den Klimaschutz in die Hand zu nehmen und zu investieren.
Die Summe könne durch eine Kombination aus Übergewinnsteuern und einer Lockerung der Schuldenbremse eingenommen werden, sagte Neubauer. Auch die etwa 65 Milliarden Euro an Subventionen für fossile Energieträger könnten dafür verwendet werden.
"Aus der Krisenspirale herauskommen"
Mit dem Geld müsse eine "beispiellose Geschwindigkeitserhöhung im Ausbau der erneuerbaren Energien" erreicht werden. Auch der öffentliche Nahverkehr solle mit Hilfe des Sondervermögens beschleunigt ausgebaut werden. Das Geld sei da - dies habe etwa das vom Staat subventionierte 9-Euro-Ticket gezeigt. Ein Teil des Sondervermögens solle als Klimafinanzierung an Länder des globalen Südens gehen.
Die Wurzeln der Energiekrise und der Klimakrise seien dieselben: "Unsere Abhängigkeit von fossilen Energien. Und genau die muss beendet werden", erklärte Neubauer. "Die Angst vor den Nebenkostenabrechnungen ist eine direkte Konsequenz einer Politik, die sich zu lange geweigert hat, echte Energieunabhängigkeit auf Basis erneuerbarer Energien herzustellen", sagte sie. "Wenn jetzt nicht massiv in die schnelle Transformation weg von Kohle, Öl und Gas investiert wird, dann haben wir keine Chance aus der Krisenspirale rauszukommen."
"Müssen umsatteln"
Im Interview bei tagesschau24 stellte Neubauer klar, dass auch angesichts horrender Gasrechnungen Klimaschutz kein Luxus sei. "Klimasicherheit und soziale Sicherheit dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden", sagte sie. Mit dem Sondertopf von 100 Milliarden Euro sollten die Menschen massiv entlastet werden. Die Nebenkostenabrechnungen müssten gedeckelt werden und zugleich dringende Maßnahmen für den Klimaschutz gewährleistet sein.
Die Klimaaktivistin kritisierte in dem Gespräch die Versuche der Bundesregierung, angesichts der Energiekrise wieder vermehrt auf Kohlekraftwerke zu setzen. Letzten Endes schade dies Wirtschaft und Unternehmen, die bereits unter der Klimakrise litten. "Wirtschaftlich gesprochen müssen wir ganz dringend raus aus fossilen Energien und umsatteln. Kohle kann mittel- und langfristig nicht die Lösung sein", sagte Neubauer.
Absage an Laufzeitverlängerung
Die Weltgemeinschaft sei in der Klimakatastrophe an einem Punkt angelangt, an dem Lebensgrundlagen zu Lebensgefahren werden würden. "Es wird perspektivisch immer gefährlicher und chaotischer, wenn wir es nicht schaffen, von fossilen Energien wegzukommen", appellierte die Sprecherin von "Fridays for Future".
Sie sieht in der aktuellen Lage keinen Handlungsspielraum mehr. Wegen der fossilen Energien könnten viele Menschen nicht mehr ihre Stromrechnungen bezahlen. "Wenn wir soziale Sicherheit schaffen wollen, müssen wir in die erneuerbaren Energien reingehen." Neubauer lehnte in diesem Zusammenhang auch ab, Laufzeiten von Atomkraftwerken zu verlängern. Die momentane Debatte spiele sich nur zwischen Kohle und Atomkraft ab. Erneuerbare Energien blieben außen vor, kritisierte sie.
Klimastreik am 23. September
Das jüngste Entlastungspaket der Bundesregierung sei nicht zukunftsgerichtet, ergänzte Co-Sprecherin Annika Rittmann. Sie träfen mit konkreter und rascher Hilfen einen Punkt, griffen aber zu kurz. Jene, die es am meisten bräuchten, würden zu wenig entlastet, zudem bewirkten sie zu wenig für den ökologischen Umbau. Deshalb sei nun ein eigenes Sondervermögen nötig.
Die Bewegung ruft zudem für den 23. September erneut zu einem globalen Klimastreik auf. Die aktuelle Energiekrise offenbare, wie verletzlich die Gesellschaft in Sachen Energieversorgung sei, sagte Rittmann.
Die Wirtschaftsforscher Marcel Fratzscher und Volker Quaschning sprachen sich ebenfalls für stärkere Investitionen in den Klimaschutz aus.
Unterstützung aus der Wissenschaft
Prominente Unterstützung für ihre Forderung erhält die Klimabewegung unter anderem vom Leiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher. "Wir realisieren jetzt, welche Fehler wir in den vergangenen 20 Jahren gemacht haben", sagte er. "Jetzt müssen wir reagieren, damit wir uns beim Thema Energieversorgung nicht nochmal in eine solche Abhängigkeit begeben."
Gute Klimapolitik sei auch gute Wirtschaftspolitik, erklärte Fratzscher. "Deutschland wird seine vielen guten Arbeitsplätze und hohe Wettbewerbsfähigkeit seiner Unternehmen nur dann schützen können, wenn wir die ökologische Transformation stark beschleunigen." Deutschland und Europa müssten angesichts von Krieg und Energiekrise den Ausstieg aus fossilen Energieträgern beschleunigen. "Dies erfordert hohe öffentliche und private Investitionen."
Auch die Energieökonomin Claudia Kemfert und der Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin, Volker Quaschning, bekräftigen die Forderungen der Bewegung.