Institut für Menschenrechte Mehr Schutz für Opfer von Arbeitsausbeutung gefordert
Die Unterkünfte für ausländische Arbeitskräfte sind oft ärmlich und teuer. Wer sich dagegen wehrt, muss sogar mit Gewalt rechnen. Das Deutsche Institut für Menschenrechte fordert deswegen mehr Schutz und eine angemessene Unterbringung.
In Deutschland mangelt es an sicheren Unterkünften für Opfer von Arbeitsausbeutung. Das zeigt eine Analyse des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIMR). Die vorhandenen Unterbringungsmöglichkeiten würden den menschenrechtlichen Anforderungen oftmals nicht gerecht.
Einige Leiharbeitsfirmen beuteten systematisch ausländische Arbeitskräfte aus, stellt das DIMR fest. Wer sich deshalb an eine Beratungsstelle wende, könne seine Unterkunft verlieren, die häufig zu überhöhten Preisen vom Arbeitgeber gestellt werde.
"Ein bisschen sicherer als auf der Straße"
Der Bereichsleiter der Beratungsstelle "Arbeit und Leben" in Nordrhein-Westfalen, Pagonis Pagonakis, erklärte bei der Vorstellung des Berichts, übliche Notschlafstellen seien Tätern oft bekannt. Opfer würden nicht selten dort aufgesucht und drangsaliert. In Notschlafstellen fühlten sich Betroffene teils nur "ein bisschen sicherer als auf der Straße", betonte Naile Tanis, die Leiterin der Berichterstattungsstelle Menschenhandel des DIMR.
Das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) ist eine unabhängige wissenschaftliche Einrichtung mit Sitz in Berlin. Es beobachtet die Menschenrechtssituation in Deutschland und informiert die Öffentlichkeit darüber. Das DIMR berichtet jährlich dem Bundestag und verfasst Stellungnahmen für nationale und internationale Gerichte.
Angeworben und geschlagen
Pagonakis schilderte den besonders drastischen Fall: Ein polnisches Paar sei über eine Leiharbeitsfirma angeworben worden und sollte ein zwei mal vier Meter großes Zimmer mit einer Monatsmiete von 560 Euro beziehen. Als die beiden sich geweigert hätten, den überteuerten Preis zu zahlen, sei der Mann so brutal geschlagen worden, dass er wegen eines Schädel-Hirn-Traumas und eines Jochbeinbruchs im Krankenhaus behandelt werden musste.
Anschließend sei das Paar nur in einer Notschlafstelle aufgenommen worden. Weil ein sicherer Ort in Deutschland nicht verfügbar war, seien sie zurück in die Heimat gegangen. Die Strafverfolgung verlief Pagonakis zufolge im Sande.#
Bund, Länder und Kommunen sollen handeln
Wegen solcher Vorkommnisse fordert das Institut mehr und bessere Unterkünfte von Bund, Ländern und Kommunen. Es seien unterschiedliche Unterkünfte für Männer, Paare und Familien oder Gruppen notwendig und die Räume sollten ausreichend groß und abtrennbar sein.
Angemessene Unterkünfte gebe es oft nur für Frauen, die Opfer sexueller Ausbeutung seien, erklärt Tanis, dort hätten sich inzwischen Unterstützungsstrukturen etabliert. Laut Pagonakis gebe es auch Fälle, in denen es um Arbeits- und sexuelle Ausbeutung gehe.
Schlechte Bedingungen in vielen Branchen
Zu Arbeitsausbeutung zählt das Bundeskriminalamt Bedingungen wie schlechte Bezahlung, Vorenthalten des Lohns, überlange Arbeitszeiten, überhöhte Mietzahlungen und gefährliche Arbeitsbedingungen. Solche Verhältnisse sind demnach in vielen Branchen zu finden, etwa in der Gastronomie, der Logistikbranche, in der Pflege, im Bausektor, in der Landwirtschaft, der häuslichen Betreuung und in der Fleischindustrie. Das Spektrum der Ausbeutung reiche laut Pagonakis von drastischen Einzelfällen bis hin zu "mafiösen Strukturen".
Das Bundeskriminalamt listet für das Jahr 2022 in seinem Lagebild mehr als 1.000 Opfer von Arbeitsausbeutung auf. Die Berichterstattungsstelle Menschenhandel geht von einer großen Dunkelziffer aus.
Nach der Europaratskonvention gegen Menschenhandel ist Deutschland verpflichtet, die Opfer von Ausbeutung zu schützen, auch um die strafrechtliche Verfolgung der Täter zu ermöglichen.