Institut für Menschenrechte Menschenhandel ist Alltag in Deutschland
Erstmals ist ein umfassender Bericht zum Thema Menschenhandel in Deutschland vorgelegt worden: Täglich werden drei Fälle festgestellt - und die Dunkelziffer dürfte weit höher sein. Der Staat könne deutlich mehr dagegen tun, sagen Experten.
In Deutschland werden jeden Tag drei Fälle von Menschenhandel festgestellt. Zu diesem Ergebnis kommt ein neuer Bericht des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIM), der nach eigenen Angaben erstmals alle verfügbaren Daten zu diesem Thema zusammenfasst - sowohl von Behörden als auch von Beratungsstellen.
Der Bericht beinhaltet Daten von 2020 bis 2022. In dieser Zeit haben die Ermittlungsbehörden 3.155 Betroffene identifiziert, allerdings sei von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. Fast jeder vierte Betroffene ist demnach minderjährig, zwei Drittel sind Frauen oder Mädchen. Bei Fällen von sexueller Ausbeutung sind sogar mehr als 90 Prozent der Betroffenen Frauen.
Verschiedene Bereiche und Branchen betroffen
Menschenhandel findet dem Bericht zufolge in Deutschland in ganz verschiedenen Bereichen statt - in der Pflege, im Haushalt, in der Prostitution, in der Landwirtschaft, der fleischverarbeitenden Industrie oder im Baugewerbe. Eines hätten alle Bereiche gemeinsam, sagt die Direktorin des DIM, Beate Rudolf: Sie seien personalintensiv und setzten weder spezielle Qualifikationen noch Sprachkenntnisse voraus.
Bei sexueller Ausbeutung kamen die meisten Betroffenen dem Bericht zufolge aus Deutschland selbst, aus Rumänien, Bulgarien, China, Ungarn, Thailand und Vietnam. Von Ausbeutung bei der Arbeit waren am häufigsten Menschen aus der Ukraine, Rumänien, Georgien, Bosnien und Herzegowina sowie Bulgarien betroffen.
Viele von ihnen blieben allerdings im Verborgenen, sagt Rudolf, weil sie sich schämten, bedroht würden oder Angst vor Repressalien hätten.
Aus dem Bericht geht auch hervor, dass von 2020 bis 2022 insgesamt 2.021 Tatverdächtige ermittelt wurden. 509 Personen seien verurteilt worden.
Großer Handlungsbedarf
Das Institut kommt zu dem Ergebnis, dass im Kampf gegen den Menschenhandel zwar Fortschritte erzielt worden seien. Es gebe aber immer noch großen Handlungsbedarf. Deutschland setze die EU-Vorgaben zum Menschenhandel nur teilweise um.
Die Experten kritisieren unter anderem, dass es zu viele Hürden gebe, um den Strafrechtsparagrafen zu Menschenhandel anzuwenden. Die Strafverfolgung müsse effektiver werden. Betroffene sollten zudem die Möglichkeit haben, sich an Ermittler zu wenden, ohne selbst mit einer Strafe rechnen zu müssen.
Außerdem sollten Behördenmitarbeiter flächendeckend und regelmäßig zu Rechten von Betroffenen geschult werden. Auch ein langfristig finanziertes und flächendeckendes Beratungsangebot müsse geschaffen werden. Und es brauche mehr spezielle Schutzunterkünfte für Betroffene; derzeit gebe es die nur in der Hälfte der Bundesländer.
Der Bericht des Instituts für Menschenrechte soll künftig alle zwei Jahre erscheinen. Das DIM wird vom Bund finanziert und arbeitet unabhängig. Es forscht und berät zu den Menschenrechten und berät die Politik.