Ehe für alle Was sich rechtlich ändern würde
Wie wird die Ehe für alle rechtlich umgesetzt? Muss dafür das Grundgesetz verändert werden? Wann können die ersten homosexuellen Ehen geschlossen werden? tagesschau.de beantwortet die wichtigsten Fragen vor der Abstimmung im Bundestag.
Was genau ändert sich?
Künftig dürfen auch Schwule und Lesben heiraten. Sie bekommen dann alle Rechte und Pflichten einer Ehe zwischen Mann und Frau. Dazu wird das Bürgerliche Gesetzbuch geändert. Dort heißt es bislang: "Die Ehe wird auf Lebenszeit geschlossen." Künftig soll der Satz lauten: "Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen." Es sind also gerade einmal sieben Worte in einem Paragrafen, die die Ehe für alle ermöglicht.
Was bedeutet das konkret?
Rechtlich sind homosexuelle und heterosexuelle Paare künftig gleich, wenn sie heiraten. Praktisch wirkt sich das vor allem beim Adoptionsrecht aus - bislang dürfen schwule oder lesbische Paare ein Kind nämlich nicht gemeinsam adoptieren. Das wird künftig möglich sein. In allen anderen Bereichen sind Ehe und Lebenspartnerschaft bereits gleichgestellt. Der Weg dorthin war aber lang. Seit 2001 können sich Homosexuelle verpartnern. Dass sie beim Erbrecht, der Unterhaltspflicht und dem Ehegattensplitting gleiche Rechte und Pflichten haben, kam nach und nach - oft auf Druck des Bundesverfassungsgerichts. Den Befürwortern geht es aber auch um das Symbol, einer echten Gleichstellung von Hetero- und Homosexuellen.
Was heißt das für bereits geschlossene Lebenspartnerschaften?
Sie werden nicht automatisch zu einer Ehe. Verpartnerte Paare müssen vielmehr persönlich und gemeinsam erneut zum Standesamt. Dort können sie erklären, dass sie künftig in einer "gleichgeschlechtlichen Ehe" leben wollen - so lautet der Verwaltungsbegriff. Eine Pflicht dazu gibt es nicht - Lebenspartnerschaften können auch einfach weitergeführt werden. Neue lassen sich allerdings nicht mehr schließen - es gibt künftig nur noch die Ehe.
Kinder mit gleichgeschlechtlichen Eltern entwickeln sich genauso wie Kinder mit gemischt-geschlechtlichen Eltern. Das belegen nach Angaben der Psychologin Ina Bovenschen vom Expertise- und Forschungszentrum Adoption (EFZA) internationale und nationale Studien. Demnach sei nicht die Familienform für das Kindeswohl entscheidend, sondern die Art und Weise, wie Familie gelebt werde, sagte sie tagesschau24. "Dementsprechend ist es auch so, dass in vielen Ländern gleichgeschlechtliche Paare Kinder adoptieren dürfen."
Laut EFZA erfolgt derzeit jede achte Adoptionsbewerbung in Deutschland durch ein gleichgeschlechtliches Paar oder eine Einzelperson.
In der deutschen Studie habe sich sogar gezeigt, dass sich gleichgeschlechtliche Paare im Gegensatz zu gemischt-geschlechtlichen durch größere Wärme in ihrem Elternverhalten auszeichneten. Festgestellt wurde aber auch, "dass es Hinweise gibt, dass Kinder, die in gleichgeschlechtlichen Familien aufwachsen, zum Teil mehr Diskriminierungen durch Gleichaltrige ausgesetzt sein können". Durch positives Elternverhalten könne dies jedoch ausgeglichen werden.
Gibt es noch verfassungsrechtliche Bedenken?
Einige Unionspolitiker haben sie und argumentieren, dass auch das Grundgesetz geändert werden muss. Artikel 6 stellt Ehe und Familie unter besonderen Schutz - die Autoren der Verfassung hätten darunter eine Beziehung zwischen Mann und Frau verstanden. Die Mehrheit der Experten, die der Bundestag befragt hat, sieht das anders. Nach ihrer Einschätzung reicht die geplante Änderung des bürgerlichen Gesetzbuchs aus.
Haben SPD und Opposition im Bundestag eine sichere Mehrheit?
Ja. Bei vollem Haus sind 630 Abgeordnete im Parlament. Das rot-rot-grüne Bündnis hat zusammen 320 Stimmen, das ist bereits die nötige Mehrheit. Allerdings dürfte die Zustimmung tatsächlich noch höher ausfallen. CDU und CSU haben nämlich den Fraktionszwang aufgehoben. Die Abgeordneten sind also nicht an Parteivorgaben gebunden. Zahlreiche Unions-Politiker haben bereits angekündigt, dass sie für die Ehe für Alle stimmen - derzeit rechnet die Fraktion damit, dass rund ein Drittel für das Gesetz votiert. Übrigens: Wer das sein wird, kann jeder im Internet nachlesen, weil namentlich abgestimmt wird.
Wann kann die erste Homo-Ehe geschlossen werden?
Das wird noch ein bisschen dauern. Wenn der Bundestag das Gesetz beschlossen hat, muss es der Bundespräsident unterschreiben. Davon ist auszugehen, das kann aber einige Wochen in Anspruch nehmen. Danach haben die Standesämter drei Monate Zeit, sich vorzubereiten. Der frühstmögliche Termin ist damit der 1. November, an dem zwei Frauen oder Männer eine Ehe eingehen können.
Anm. d. Red.: In einer früheren Fassung der Meldung hieß es, eine "überwältigende" Mehrheit der Experten, die der Bundestag befragt hatte, sehe keinen Grund für eine Änderung des Grundgesetzes. In der Tat handelte sich um vier von sieben Experten - deswegen wurde der Zusatz "überwältigend" gestrichen.