Debatte im Bundestag Milliarden für ungenutzte Masken
Was war wann und warum während der Pandemie nötig? Viele Fragen aus der Corona-Zeit wirken nach. Der Bundestag hat sich heute mit der - aus heutiger Sicht - völlig überteuerten Maskenbeschaffung beschäftigt.
März 2020: Corona hat ganz Deutschland in seinem ersten Lockdown lahmgelegt. Der Bedarf an medizinischer Schutzausrüstung ist groß, vor allem Atemschutzmasken gelten als lebensnotwendig. Am 27. März 2020 schreibt das Bundesgesundheitsministerium einen Auftrag aus in einem Verfahren, das allen Interessenten den Zuschlag bei rechtzeitiger Lieferung gewährt. Ein sogenanntes Open-House-Verfahren. Milliarden FFP2-Masken werden eingekauft - zum Stückpreis 4,50 Euro.
CDU-Politiker Jens Spahn, der damalige Bundesgesundheitsminister in der Großen Koalition, hatte sich deutlich überkauft. Dennoch folgen weitere Verträge. Juristisch hatte das Ministerium - auch noch unter dem aktuellen SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach - versucht, die hohen Bestellungen wieder einzufangen. Das scheiterte nun vorerst vor dem Oberlandesgericht Köln. Es verurteilte das Bundesgesundheitsministerium auf Zahlung von etwa einer Million Euro nebst Zinsen. Weitere Verfahren sind noch anhängig, weitere Zahlungen damit nicht ausgeschlossen.
Grüne sprechen von Steuerverschwendungsskandal
Die Ampel-Fraktionen, die ohnehin schon jeden Steuer-Euro umdrehen müssen, um einen verfassungsmäßigen Haushalt auf die Beine zu stellen, forderten nun Antworten in einer aktuellen Stunde im Bundestag. "5,6 Milliarden Euro standen auf dem Einkaufszettel und das Desaster zieht sich bis heute", stellt der grüne Fraktionsvize Andreas Audretsch fest.
Besonders verheerend findet er, dass von den über fünf Milliarden Schutzmasken nur 1,7 Milliarden in Deutschland verteilt wurden. Über eine Milliarde Masken wurden bereits im vergangenen Jahr vernichtet, weitere sollen demnächst entsorgt werden. "In Zahlen gegossene Verantwortungslosigkeit", nennt es Audretsch und spricht von 2,3 Milliarden Euro möglicher Strafzahlungen. "Einer der größten Steuerverschwendungsskandale, die es je in der Bundesrepublik gegeben habe", so Audretsch.
Keine Hexenjagd, mahnt die SPD
Verbal einige Etagen tiefer steigt SPD-Politikerin Martina Stamm-Fibich in die Debatte ein. Keiner habe gewusst, wie es ausgehen würde. Der Schutz der Bevölkerung habe oberste Priorität gehabt. Daher solle die aktuelle Stunde "nicht zu einer Hexenjagd" verkommen. Dennoch müsse kritisch aufgearbeitet werden, was damals passiert ist.
Aber auch sie spricht von einer ausgearteten Maskenbeschaffung, vor allem bei den Open-House-Verträgen. Sie fragt, wie man so am Marktgeschehen vorbei kalkulieren konnte und wer dafür die politische Verantwortung trage.
CDU spricht von katastrophaler Marktlage
CDU-Politiker Tino Sorge entgegnet der SPD-Abgeordneten: "Wenn Sie sich fragen, wie das damals abgelaufen ist, das kann ich nicht verstehen! Sie saßen doch direkt mit dabei." Die 2,3 Milliarden Euro "drohender Strafzahlungen" seien mithin lediglich Streitwertbemessungen des Gerichts. Diese seien nicht gleichzusetzen mit einem wirklich drohenden Schadensersatz. Das Urteil des Oberlandesgerichts - mithin noch nicht rechtskräftig.
Unabhängig davon sei die Marktlage 2020 katastrophal gewesen. Was er nicht erwähnt, ist, dass die damalige Bundesregierung für die Maskenbeschaffung im März 2020 "ausdrücklich nur eine kurzfristige und ergänzende Beschaffung für Akutkrankenhäuser und Arztpraxen" vorgesehen war. Das veröffentlichte der Bundesrechnungshof in einem Prüfbericht im März 2024.
Sorge erinnert sich dafür mehr an die Bitte der Grünen, die Ende März 2020 - damals in der Opposition - gefordert hätten, dass Krankenhäuser besser ausgestattet werden müssten. Auch sei "ein Hundertfacher Bedarf an Schutzmasken" gefordert worden. Sorge zählt die Unterzeichner von damals auf: die Grünenpolitiker Annalena Baerbock, Katrin Göring-Eckardt, Anton Hofreiter und Robert Habeck. "Das ist an Niedertracht und Doppelmoral nicht zu überbieten."
Die AfD fordert weitere Aufklärung
Während sich Ampel und die alte Große Koalition gegenseitig die Verantwortung oder Mitverantwortung zuschreiben, nutzt die AfD die Debatte, um ihre eigene Anti-Haltung gegen sämtliche Corona-Maßnahmen noch einmal ins parlamentarische Schaufenster zu stellen. Nur sie habe es von vornherein gewusst.
Die Maskenbeschaffung falle auch auf das heutige SPD-geführte Ministerium zurück. Immerhin versuche es, den Verpflichtungen der eingegangenen Verträge auf juristisch fragwürdige Weise zu entgehen. Die Aufarbeitung der Corona-Zeit gehöre in einen Untersuchungsausschuss, so AfD-Politiker Martin Sichert.
Eine parlamentarische Aufarbeitung hatten zuletzt auch die Grünen angedeutet. Auch wenn Bundeskanzler Scholz im ARD-Sommerinterview nur einen Bürgerrat in den Raum stellt, war die heutige Debatte sicherlich nicht die letzte. Dazu passt Jens Spahns Aussage von damals: "Wir werden uns viel zu verzeihen haben."