Menschen entzünden Kerzen und legen Blumen in Chemnitz nieder.

Tötungsdelikt in Chemnitz Ermittlungen wegen Haftbefehl im Internet

Stand: 29.08.2018 11:49 Uhr

Die Staatsanwaltschaft Dresden ermittelt wegen des im Internet veröffentlichten Haftbefehls zum Tötungsdelikt in Chemnitz. Die Polizei bestätigte mittlerweile gegenüber Medien, dass die Dokumente authentisch sind.

Von Patrick Gensing, ARD-aktuell

Nachdem Rechtsradikale im Internet den Haftbefehl gegen einen der Tatverdächtigen im Fall Chemnitz veröffentlichten, hat die Staatsanwaltschaft Dresden offizielle Ermittlungen eingeleitet. Der Vorfall müsse "schnellstens aufgeklärt und die notwendigen strafrechtlichen Konsequenzen gezogen werden", teilte das sächsische Justizministerium in Dresden mit.

In dem Dokument werden die Namen des Opfers, der Richterin und Einzelheiten zu den mutmaßlichen Tätern genannt. Zudem wird beschrieben, wie oft auf das Opfer eingestochen worden war.

Auf diversen Seiten veröffentlicht

Am Dienstagabend hatten die Organisation "Pro Chemnitz", ein AfD-Kreisverband und "Pegida"-Mitbegründer Lutz Bachmann den Haftbefehl veröffentlicht - teilweise wurden dabei einige Namen und Adressen geschwärzt. Mittlerweile kursieren aber auch Versionen ohne Anonymisierungen im Netz, so beispielsweise auf der bekannten rechtsextremen Seite "Anonymousnews.ru". Auch ein AfD-Abgeordneter hatte auf Twitter ein entsprechendes Dokument veröffentlicht und nach kurzer Zeit wieder gelöscht.

Auf einer bekannten rechtsextremen Internet-Seite wurden zudem Fotos veröffentlicht, die einen der mutmaßlichen Täter von Chemnitz zeigen sollen.

Herkunft unklar

Wie die Rechtsradikalen an das Dokument gekommen sind, ist noch unklar. "Pro Chemnitz" schrieb, es sei "zugespielt" worden.

Die "Bild"-Zeitung berichtet, ein Polizeisprecher habe dem Blatt die Echtheit des Dokuments bestätigt. Das zuständige Justizministerium teilte auf Anfrage von tagesschau.de mit, es werde im Laufe des Tages eine offizielle Stellungnahme abgeben. Ob das Dokument authentisch sei, wurde weder bestätigt noch dementiert. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hält den im Internet veröffentlichten Haftbefehl nach eigenen Angaben für authentisch. Das sagte ein Sprecher der Nachrichtenagentur dpa.

Auf Twitter teilte das Sächsische Innenministerium mit, es sei nicht nachvollziehbar, woher die Bilder von dem Dokument kämen.

Linkspartei fordert Sondersitzung

Bundesinnenminister Horst Seehofer sagte dazu am Rande einer Pressekonferenz in Berlin, der Vorfall sei "leider kein Einzelfall" und inakzeptabel. Die Justizbehörden müssten darauf reagieren.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sprach im MDR von einer Straftat und sicherte Aufklärung zu. Der stellvertretende Ministerpräsident Martin Dulig (SPD) sagte, es handele sich um einen "ungeheuerlichen Vorgang".

Die Linkspartei im sächsischen Landtag forderte eine Sondersitzung des Verfassungs- und Rechtsausschusses im Parlament. Die Veröffentlichung sei eine "neue Dimension des Angriffs auf den Kernbereich der Rechtspflege, auf Essentials für das Funktionieren des Rechtsstaats".

Falschmeldung über Hintergrund der Tat

In Zusammenhang mit der tödlichen Messerattacke schloss die Staatsanwaltschaft nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen einen sexuellen Hintergrund aus. Was die Ursache des Streites zwischen den beiden Gruppen war, müsse aber noch geklärt werden, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Chemnitz.

Rechtsradikale Gruppen hatten bei ihrer Mobilisierung für Demonstrationen behauptet, dass es einen sexuellen Hintergrund der Tat gebe. Zudem wurden Falschmeldungen verbreitet, wonach es ein zweites Todesopfer gegeben habe.

Verdächtige aus Syrien und dem Irak

Nach der Tötung eines 35-jährigen Deutschen am Wochenende in Chemnitz sitzen zwei verdächtige Männer aus Syrien und dem Irak in Untersuchungshaft. Der Fall war Auslöser für Demonstrationen und gewalttätige Auseinandersetzungen am Sonntag und Montag in der sächsischen Stadt.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Inforadio am 29. August 2018 um 11:40 Uhr.