Nach Durchsuchung im Ministerium Scholz plötzlich in der Defensive
Fehlerlos und auf der Überholspur - so wirkte SPD-Kanzlerkandidat Scholz zuletzt im Wahlkampf. Doch nun muss er sich plötzlich massiver Kritik wegen der Vorgänge um die Zoll-Spezialeinheit FIU stellen. Und die CSU gräbt das Thema Cum-Ex wieder aus.
In Umfragen lagen Union und Grüne lange Zeit vor der SPD. Doch dann häuften sich in der Wahrnehmung vieler Menschen Fehler und Patzer von Armin Laschet und Annalena Baerbock - und praktisch jede Umfrage zeigte deutlich: Für Union und Grüne sind Kanzlerkandidat bzw. Kanzlerkandidatin eher Belastung als Zugpferd.
Und bei der SPD? Da lief es genau anders herum: Kanzlerkandidat Olaf Scholz zog seine Partei in den Umfragen nach oben und erlaubte sich im Wahlkampf keinen größeren Patzer - bislang. Doch plötzlich sieht er sich zunehmend mit Angriffen konfrontiert.
Hätten Fragen "auch schriftlich stellen können"
Deutliche Kritik gab es an seiner ersten Reaktion auf die Durchsuchungen in seinem Ministerium. Gestern hatte die Staatsanwaltschaft Osnabrück das von Scholz geleitete Finanzministerium durchsucht, ebenso das Justizministerium. Die Ermittlungen richten sich gegen die beim Zoll - und damit beim Finanzministerium - angesiedelte Spezialeinheit zur Bekämpfung von Geldwäsche, die Financial Intelligence Unit (FIU). Es geht um den Verdacht, dass Hinweise auf Geldwäsche nicht weitergeleitet wurden.
Scholz zeigte sich irritiert über die Durchsuchungen und sagte: Wenn die Ermittler Fragen an das Finanzressort hatten, hätten sie diese "auch schriftlich stellen können". Er führte weiter aus: "Nun sind sie auf andere Weise gestellt worden. Das mag jeder für sich selbst bewerten."
Opposition will Sondersitzung des Finanzausschusses
Von der Union wurde ihm das als "merkwürdiges Rechtsstaatsverständnis" ausgelegt - so nannte es etwa CDU-Haushaltspolitiker Eckhardt Rehberg. Und Unions-Kanzlerkandidiat und Scholz-Rivale Armin Laschet sagte: "Wenn das eigene Ministerium durchsucht wird, der Staatsanwaltschaft zu sagen, was sie besser getan hätte, kennt man sonst nur von populistischen Staaten."
Grüne und FDP kritisierten nicht nur die Wortwahl des Finanzministers. Zusammen mit der Linkspartei wollen sie eine Sondersitzung des Finanzausschusses zum Fall FIU beantragen.
Die Integrität der Geldwäschebekämpfung in Deutschland drohe infrage zu stehen und damit ein wichtiger Teil der Bekämpfung von Organisierter Kriminalität und Terrorismus, erklärten die Obleute Lisa Paus (Grüne), Stefan Liebich (Linke) und Markus Herbrand (FDP). Dies erfordere zeitnahes Handeln und eine Befassung des Ausschusses noch vor der Bundestagswahl am 26. September. "Wir möchten Finanzminister Olaf Scholz, der die politische Gesamtverantwortung für die fortwährenden Missstände bei der FIU trägt, einladen, hier Stellung zu beziehen und zur umfassenden Aufklärung der Vorgänge beizutragen."
Söder fordert parlamentarische Untersuchung
CSU-Chef Markus Söder ging noch einen Schritt weiter - oder besser gesagt zurück in Scholz' Vergangenheit als Erster Bürgermeister von Hamburg. Konkret forderte Söder umfassendere parlamentarische Untersuchungen in der sogenannten Cum-Ex-Affäre.
Es gebe "unzählige Fragen, keine Antworten", sagte Söder auf dem CSU-Parteitag. Dieser "ganze Komplex" habe es verdient, parlamentarisch genau so untersucht zu werden wie die Maut - zum Debakel um die Pkw-Maut gab es einen Untersuchungsausschuss im Bundestag.
Im Cum-Ex-Skandal hatte Scholz in einem Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft zuletzt jeden Verdacht zurückgewiesen, als Hamburger Bürgermeister Einfluss auf die steuerliche Behandlung der in den Skandal verwickelten Warburg Bank genommen zu haben. An vielen Stellen verwies er aber auf Erinnerungslücken. Scholz sagte trotzdem "volle Transparenz" zu.
Die Steuerbehörden der Hansestadt hatten auf eine Forderung von 47 Millionen Euro an die Bank verzichtet. Diese hatte sich an Cum-Ex-Geschäften beteiligt, die der Bundesgerichtshof mittlerweile als strafbare Steuerhinterziehung gewertet hat.
Im Bundestag hatte es in der Wahlperiode von 2013 bis 2017 einen Cum-Ex-Untersuchungsausschuss gegeben. Damals war Scholz allerdings noch nicht Bundesfinanzminister; das Amt hatte der heutige Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble von der CDU inne.
"Spiegel": Probleme bei FIU trotz Warnungen nicht behoben
Im Fall FIU soll das Bundesfinanzministerium laut einem "Spiegel"-Bericht die Defizite bei der Zoll-Spezialeinheit nicht nur über Jahre nicht behoben haben. Unter Scholz habe das Haus "sogar deutliche Warnungen des Bundesrechnungshofs" negiert, schreibt das Nachrichtenmagazin unter Berufung auf Antworten des Ministeriums auf die Anfragen von Grünen-Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler.
Im Fall der Ermittlungen im Zusammenhang mit der FIU sagte Scholz nun, sein Haus werde eng mit den Ermittlungsbehörden zusammenarbeiten - "wie sich das gehört".