BGH-Urteil zu Filesharing Anschwärzen oder zahlen
Eltern müssen den Namen ihrer Kinder angeben, wenn diese im Internet auf Tauschbörsen unterwegs waren und Urheberrechtsverletzungen begangen haben. Tun die Eltern das nicht, haften sie selbst und müssen Schadenersatz zahlen. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden.
Von Kolja Schwartz, SWR, ARD-Rechtsredaktion
Worum ging es beim BGH?
Die Plattenfirma Universal verlangte Schadenersatz von einem Familienvater. Über dessen Internetanschluss wurde über eine Tauschbörse Musik illegal heruntergeladen und damit gleichzeitig auch wieder zur Verfügung gestellt. Der Vater wollte nicht zahlen und führte an, dass er die Urheberrechtsverletzung selbst nicht begangen habe. Er wisse, dass eines seiner Kinder verantwortlich sei, wolle den Namen aber nicht preisgeben.
Der BGH hat nun entschieden: Eltern müssen in solchen Fällen grundsätzlich den Namen ihres Kindes angeben, wenn sie wissen, dass es eine Urheberrechtsverletzung begangen hat. Tun sie das nicht, dann machen sie sich selbst schadenersatzpflichtig.
Die Richter hatten dabei zuvor eine Grundrechtsabwägung vorgenommen: zum einen der Schutz der Familie, zum anderen der Schutz der Plattenfirma auf geistiges Eigentum. Nach dieser Abwägung halten die Richter die Namensnennung für zumutbar. Schon die Vorinstanz, das Oberlandesgericht München, hatte der Plattenfirma recht gegeben.
Was ist das Filesharing eigentlich genau?
Einfach gesagt: Es geht um die illegale Verbreitung von Musik oder Filmen. Nicht jede Benutzung von Filesharing-Programmen ist verboten, weil die Nutzer darüber natürlich auch Daten austauschen bzw. verbreiten können, die nicht urheberrechtlich geschützt sind, bzw. für deren Weitergabe sie die Rechte besitzen.
Oft aber stellen Nutzer von Filesharing-Programmen urheberrechtlich geschützte Werke illegal zur Verfügung, andere laden sie sich kostenlos herunter. Und: Auch wenn es den meisten Nutzern wohl nur um das Herunterladen geht, so werden schon im Moment des Downloads Musik oder Filme wieder für andere zur Verfügung gestellt. Beides stellt ganz klar eine Verletzung des Urheberrechts dar. Das ist zum einen strafbar und kann zum anderen dazu führen, dass man Schadenersatz zahlen muss.
Was unternimmt die Musikindustrie dagegen?
Durch das illegale Filesharing verliert die Musikindustrie eine Menge Geld. Und letztlich leiden auch die Künstler darunter, wenn sie ihre Musik nicht mehr verkaufen, weil sie zu einem Großteil kostenlos weitergegeben wird. Die Plattenfirmen versuchen deshalb seit Jahren, massiv dagegen vorzugehen - mit einer regelrechten Abmahnwelle.
Dazu beobachten sie zunächst im Internet in den Tauschbörsen, von welcher IP-Adresse zum Beispiel Musik zur Verfügung gestellt wird. Dann ermitteln sie den Anschlussinhaber, dem diese IP-Adresse zu dem Zeitpunkt der Tauschbörsenaktivität zugeordnet war. Und letztlich bekommt der Anschlussinhaber eine Abmahnung von einer Anwaltskanzlei. Er wird aufgefordert, zu unterschreiben, das illegale Filesharing zukünftig zu unterlassen, und er kriegt eine Rechnung. Schadenersatz und die Abmahnkosten soll er zahlen.
Wann muss der Inhaber des Internetanschlusses haften?
In den Fällen zum Filesharing geht es eigentlich immer um die Frage, ob der Inhaber des Internetanschlusses, über den die Urheberrechtsverletzungen begangen wurden, haften muss. Denn in der Regel ist das der einzige, der ermittelt werden kann.
Zunächst einmal gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs: Es wird vermutet, dass dieser auch der Täter ist. Also muss er grundsätzlich zahlen. Es sei denn, er kann die Vermutung widerlegen. Zum Beispiel dadurch, dass er darlegt, dass auch andere zum fraglichen Zeitpunkt Zugriff hatten. Kann er klar benennen, wer das Filesharing betrieben hat, ist er auf jeden Fall aus der Haftung.
Haftet der Anschlussinhaber nicht trotzdem, weil er sein WLAN-Passwort weitergegeben hat?
Nein. In einem Urteil 2016 stellte der BGH das klar. Als Inhaber eines Internetanschlusses darf man zum Beispiel seinen volljährigen Gästen sein WLAN-Passwort überlassen und muss diese auch nicht darüber aufklären, was sie im Internet machen dürfen und was nicht. Wenn diese Gäste sich dann zum Beispiel am illegalen Filesharing beteiligen, dann haftet der Anschlussinhaber nicht. Etwas anderes gilt nur, wenn der Anschlussinhaber konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass mit seinem Zugang etwas Illegales geschieht.
Gilt das auch, wenn die Familienangehörigen in der Tauschbörse waren?
Ja. Grundsätzlich haftet der Anschlussinhaber auch nicht für seine Familienangehörigen. Der BGH hat schon im Januar 2014 gesagt: Volljährige Familienmitglieder sind für ihr Handeln komplett selbst verantwortlich. Auch hier gilt: Nur wenn der Anschlussinhaber konkrete Anhaltspunkte hat, dass über seinen Anschluss illegal Musik verbreitet wird oder ähnliches, dann muss er das unterbinden. Macht er es nicht, ist er in der Haftung. Hat er aber keine Anhaltspunkte, so haftet er auch nicht, wenn sich später herausstellt, dass die erwachsenen Familienangehörigen die Urheberrechtsverletzungen begangen haben.
Und bei minderjährigen Kindern?
Auch bei minderjährigen Kindern haften die Eltern nicht automatisch. Schon 2012 entschied der Bundesgerichtshof: Eltern haften nicht für ihre minderjährigen Kinder, wenn sie nichts davon wissen, dass die sich in Tauschbörsen aufhalten. Allerdings unter einer Voraussetzung: Eltern müssen mit ihren Kindern vor der Internetnutzung einmal über das Thema sprechen und sie aufklären, dass die Teilnahme an den Tauschbörsen illegal ist. Wenn sie das gemacht haben, müssen sie die Kinder nicht ständig kontrollieren. Sie dürfen darauf vertrauen, dass die Kinder sich daran halten. Und dann haften sie auch nicht für das illegale Handeln der Sprösslinge im Internet.
Hat sich der BGH auch schon zu der Höhe des Schadenersatzes in solchen Fällen geäußert?
Ja, auch damit haben sich die obersten Zivilrichter schon beschäftigt. Pro Musiktitel, der von einem Nutzer im Internet zur Verfügung gestellt wird, verlangt die Musikindustrie 200 Euro Schadenersatz. Dieser Betrag sei angemessen, entschied der BGH 2015. Allerdings nur, wenn es sich um eine überschaubare Zahl von Musikdateien handeln würde. Bei 15 Musiktiteln nahm der BGH das an. Steigt also die Zahl der Songs, für die Schadensersatz verlangt wird wesentlich, dann wäre die Summe von 200 Euro zu hoch.