Kosten des Atomausstiegs Ein unkalkulierbares Risiko
Wie teuer wird der Atomausstieg - und was kostet das am Ende die Steuerzahler? Diese Frage wird nach der Sommerpause den Bundestag beschäftigen. Klar ist bislang: Es wird sehr teuer. Wie teuer, lassen neue Zahlen für den Rückbau des AKW Greifswald erahnen.
Was kostet der Atomausstieg? Es ist eine Rechnung mit einigen Unbekannten: So lassen sich die Kosten der Endlagerung seriös kaum vorhersagen. Und schon jetzt steht fest, dass auch der Rückbau der Atomkraftwerke deutlich teurer werden dürfte als bisher behauptet.
Sitzen in der Atomkommission: Jürgen Trittin, Matthias Platzeck, Ole von Beust
Allein der Rückbau des ehemaligen DDR-Kraftwerks bei Greifswald - ursprünglich mit 3,2 Milliarden Euro veranschlagt - dürfte mindestens 6,5 Milliarden kosten. Diese Zahl gab jetzt der Chef der Energiewerke Nord, Henry Cordes, gegenüber der ARD erstmals bekannt. "Gesellschaftspolitisch ist diese Technologie ein gigantischer Griff ins Klo", lautet sein überraschend deutlicher Kommentar zur Kostenexplosion.
Die Regierung hatte Ende 2015 die sogenannte "Atomkommission" ins Leben gerufen. Sie sollte darüber entscheiden, wie viel des gesamten Kostenrisikos die Energieversorger und wie viel die Steuerzahler tragen sollen. Ihr Abschlussbericht liegt seit April vor, der Bundestag wird im Herbst darüber entscheiden.
"Konzerne können sich freikaufen"
Laut Empfehlung der Atomkommission sollen die Konzerne nun einen festen Betrag für die Zwischen- und Endlagerung des Atommülls an den Staat überweisen. Alle Mehrkosten müsste demzufolge dann allein der Staat tragen. Die Energie-Expertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Claudia Kemfert, warnt nun gegenüber der ARD vor einem unkalkulierbaren Kostenrisiko für die Steuerzahler: "Die Konzerne können sich hier freikaufen: Sie zahlen einen bestimmten Betrag und sind noch nicht mal für die Nachhaftung verantwortlich. All diese Risiken muss jetzt die Gesellschaft tragen."
Insgesamt sollen die Konzerne 46 Milliarden Euro für den Rückbau der Atomkraftwerke und die Entsorgung des Atommülls bereitstellen. Kemfert wirft der Bundesregierung vor, hierbei mit völlig unrealistischen Zinssätzen die Kosten für die Energieversorger künstlich kleinzurechnen. Die Energie-Expertin geht davon aus, dass bei einem realistischen Zinssatz von zwei Prozent heute schon 75 Milliarden Euro notwendig wären, um später einmal auf die tatsächlich von der Bundesregierung kalkulierten Kosten von 170 Milliarden zu kommen. Ihr Resümee: "Das Geld reicht hinten und vorne nicht."
Steuerzahler tragen Sanierungskosten
Dabei sind viele Kosten noch nicht einmal eingerechnet. Dazu gehören beispielsweise die Sanierungskosten für das marode Atommülllager Asse: Voraussichtlich zehn Milliarden Euro, die alleine von den Steuerzahlern zu tragen sind. Eine Milliardensubvention, von der es in den letzten Jahrzehnten reichlich gab. Auf insgesamt 190 Milliarden Euro belaufen sich die staatlichen Subventionen für die Atomenergie seit 1970. "Das sind die volkswirtschaftlichen Kosten der Atomenergie", sagt Swantje Fiedler vom Forum Ökologisch Soziale Marktwirtschaft, das die Summe berechnet hat.
Vor dem Hintergrund dieser Zahlen verschärft sich jetzt die Kritik an der Klage der Atomkonzerne vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Dabei geht es im Ergebnis um Schadenersatz in Milliardenhöhe, die die Konzerne wegen entgangener Gewinne durch den Atomausstieg fordern.
"Die Atomkonzerne versuchen, die Politik unter Druck zu setzen - zu erpressen, kann man hier wirklich sagen - damit sie noch etwas Geld bekommen“, so Kemfert. Die atompolitische Sprecherin der Grünen, Sylvia Kotting-Uhl, bewertet die Klagen der Konzerne als "unverschämt". "Es ist völlig unmöglich, dass der Staat finanzielle Risiken der Atomkonzerne übernimmt und gleichzeitig von diesen Konzernen verklagt wird auf Entschädigungszahlungen", so Kotting-Uhl.
Diese Kritik dürfte jedoch folgenlos bleiben. Die Zustimmung zum Atomkompromiss im Bundestag gilt als sicher.