"Nachhaftung" bei AKW-Rückbau Schlupfloch für Atomkonzerne geschlossen
Ein Gesetz zur Finanzierung des Atomausstiegs gibt es noch immer nicht. Um zu verhindern, dass sich Energiekonzerne durch Aufspaltungen um die Milliardenkosten für Rückbau und Müll-Lagerung drücken, hat die Regierung nun ein Schlupfloch bei der "Nachhaftung" geschlossen.
Eigentlich sollte das sogenannte Nachhaftungsgesetz schon zu Jahresanfang in Kraft treten. Es regelt - grob gesagt - die Finanzierung des Atomausstiegs und soll verhindern, dass sich Atomkonzerne von der milliardenschweren Haftung für die Atom-Altasten drücken können - etwa, weil sie sich aufspalten. Doch der Gesetzentwurf befindet sich noch im parlamentarischen Verfahren und soll erst nach der Sommerpause abschließend beraten werden.
Die Regierung hat nun eine Erklärung verabschiedet, die verhindern soll, dass Konzerne diese Rechtsunsicherheit ausnutzen können. Dabei geht es um die Frage, wer für die Milliardenkosten der AKW-Abrisse und Müll-Lagerung aufkommen soll, etwa wenn der Mutterkonzern pleite geht. Im schlimmsten Fall bliebe dann der Steuerzahler auf den Kosten sitzen.
Um dieses Schlupfloch zu schließen, stimmte die Regierung nun der Empfehlung der Atomkommission zu, die auch eine Regelung zur Nachhaftung abgespaltener Konzernteile mit einschließt. Demnach müssen die Unternehmen die Nachhaftungen mit ihren Rückstellungen absichern. "Hierfür haften Mütter für ihre Töchter. Abspaltungen bleiben ihren Müttern verpflichtet", hatte die Kommission empfohlen. Von der Regelung sollen Abspaltungen nach dem 1. Juni erfasst werden.
Zwei Konzerne werden sich aufspalten
In genau einer Woche - am 8. Juni - will E.On auf seiner Hauptversammlung eine solche Aufspaltung beschließen. Der Mutterkonzern soll sich dann auf Ökostrom, Netze und Vertrieb konzentrieren, aber auch die Atomkraftwerke weiter betreiben. Das angeschlagene Geschäft mit den übrigen Großkraftwerken und der Energiehandel sind bereits operativ in der Tochterfirma Uniper abgetrennt.
Ähnlich soll es bei RWE laufen: Der Nuklearteil bleibt bei der Muttergesellschaft. Das zukunftsträchtige Geschäft mit erneuerbaren Energien, Netzbetrieb und Vertrieb wird in eine neue Gesellschaft ausgegliedert. Die Frage ist aber, ob bei einer Pleite der Muttergesellschaft auch die Tochterfirmen haften. Und im schlimmsten Fall müsste dann der Steuerzahler für die Milliardenkosten für AKW-Abrisse und Müll-Lagerung aufkommen.
Konzerne sollen in Fonds einzahlen
Die Atomkommission mit 19 Mitgliedern aus gesellschaftlichen Gruppen und Parteien hatte Ende April empfohlen, dass die Stromkonzerne E.On, RWE, Vattenfall und EnBW bis 2022 rund 17,2 Milliarden Euro an einen staatlichen Fonds überweisen, der die Zwischen- und Endlagerung von Atommüll managen soll. Gegen Zahlung eines Risikozuschlags von 35 Prozent können die Unternehmen zudem die Haftung für Kosten- und Zinsrisiken an den Staat übertragen. So ergibt sich ein Gesamtbetrag von 23,3 Milliarden Euro. Für Stilllegung und Rückbau sowie Verpackung des Atommülls sollen die Unternehmen verantwortlich bleiben.