Schlussrunde ARD

Schlussrunde von ARD und ZDF Falschaussagen zum Schluss

Stand: 21.02.2025 14:19 Uhr

Bei der gemeinsamen Schlussrunde von ARD und ZDF waren nochmal alle Parteien vertreten. Bei Diskussionen um das Gesundheitssystem und den Krieg in der Ukraine fielen auch Falschaussagen.

Von Laura Bisch, ARD-faktenfinder

Die gemeinsame Sendung "Wahl 2025 Schlussrunde" von ARD und ZDF drei Tage vor der Bundestagswahl führte nicht nur zu vielen Diskussionen zwischen den acht Parteienvertretern, sondern auch zu falschen und teils irreführenden Aussagen in den Bereichen Gesundheit, Verteidigung und Wirtschaft.

Weidel: Geflüchtete verantwortlich für steigende Krankenkassenbeiträge

Die Kanzlerkandidatin der AfD, Alice Weidel, sagte in der Sendung etwa, Geflüchtete würden die Krankenkassenbeiträge nach oben treiben. Konkret sagte Weidel: "Die Ursache, dass die Krankenkassenbeiträge stetig steigen, sind die Parteien, wie sie hier sitzen - weil sie Millionen von Menschen reingelassen haben, die dort nie eingezahlt haben."

Diese Aussage sei falsch, ordnet Stefan Greß, Gesundheitsökonom von der Hochschule Fulda, ein. Das Gegenteil sei der Fall - Zuwanderung stabilisiere das Sozialsystem. Grund dafür sei die Entwicklung der gesetzlichen Krankenkassen in den vergangenen Jahren. Diese ist laut Greß von einem demografischen Wandel geprägt. So erklärt der Gesundheitsökonom: "Wir haben weniger junge Menschen, die erwerbstätig sind und einzahlen und mehr Menschen, die in die Rente gehen und dann immer noch, aber weniger Beiträge zahlen." Dies würde die Beiträge belasten, sei aber wegen der Zuwanderung nicht der Fall, erklärt Greß.

Junge Menschen, die aus dem Ausland kommen und Beiträge zahlen, haben noch relativ wenig Leistungen beansprucht und dadurch werden die Beiträge stabilisiert.
Stefan Greß, Gesundheitsökonom

Die steigenden Krankenkassenbeiträge hängen laut Greß unter anderem damit zusammen, dass Ausgaben stärker steigen als die beitragspflichtigen Einnahmen für die Krankenkassen. Das sei lange Zeit durch eine recht positive wirtschaftliche Entwicklung kompensiert worden - später dann durch Steuerzuschüsse des Bundes, erklärt Greß. "Gerade diese Steuerzuschüsse gab es in der vergangenen Legislaturperiode deutlich weniger als in den vorangegangen." Außerdem sind demnach die Reserven der Krankenkassen erschöpft.

Asylbewerber-Behandlungen nicht über gesetzliche Krankenkasse

Die Gesundheitsleistungen für Asylbewerberinnen und -bewerber würden außerdem steuerfinanziert - und eben nicht von den gesetzlich Krankenversicherten, klärt Greß auf. Asylbewerberinnen und -bewerber bekommen demnach zunächst Leistungen nach dem sogenannten Asylbewerberleistungsgesetz. "Das sind drei Jahre maximal. Und: Das sind deutlich weniger Leistungen als Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung bekommen." Bei den steuerfinanzierten Behandlungen geht es laut Greß nur um Not- und Akutfälle. "Das merken die gesetzlich Versicherten gar nicht."

Ein Problem sieht der Sprecher der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV), Florian Lanz, nicht bei den Asylbewerberinnen und -bewerbern, sondern bei den Bürgergeldbezieherinnen und -berzieher. Er schrieb auf Anfrage des ARD-faktenfinders: "Ein Problem ist, dass die gesetzlichen Krankenkassen im Auftrag des Staates die gesundheitliche Versorgung von Bürgergeldbeziehern organisieren und finanzieren."

Dies müsse der Staat, da man diese Leistung im Auftrag des Staates erbrächte, vollständig gegenfinanzieren, fordert der GKV-Sprecher. Der Staat zahle den gesetzlichen Krankenkassen aber nur rund ein Drittel der Kosten - und die blieben auf den restlichen Kosten sitzen.

Hat Deutschland das teuerste Gesundheitssystem der Welt?

Zum Gesundheitssystem gab es eine irreführende Aussage von BSW-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht. Diese sagte in der Debatte, Deutschland habe das zweitteuerste Gesundheitssystem weltweit.

Wenn man die Kosten pro Kopf berechne, komme das vielleicht hin - erklärt Greß dazu. Die zentrale Vergleichsgröße zwischen den Gesundheitssystemen sei aber das Verhältnis der Wirtschaftsleistung - also des Bruttoinlandproduktes - zu den Gesundheitsausgaben der jeweiligen Länder. Ein Ranking der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zeigt indes: Die USA liegt demnach auf Platz 1, auf Platz 2 die Schweiz und auf Platz 3 dann Deutschland.

Und auch GKV-Sprecher Lanz erklärt auf Anfrage: "Wir haben sicherlich eines der teuersten Gesundheitssysteme der Welt." Da aber alle Gesundheitssysteme unterschiedlich viel leisteten, sei eine direkte Vergleichbarkeit nur als Annäherung möglich. Als Beispiel nennt Lanz etwa, die GKV sei bei der psychotherapeutischen Versorgung "auf Kassenkosten" weltweit an der Spitze.

Linnemann: Heizungsgesetz bewirkte das Gegenteil

Auch zum Thema Wirtschaft gab es eine hitzige Diskussion. Unter anderem beschäftigte sich die Runde mit dem Heizungsgesetz der Ampel-Regierung. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte in der Sendung dazu: "Wir haben im letzten Jahr und den letzten zwei, drei Jahren so viele Öl- und Gasheizungen verkauft wie davor nicht - Habeck hat genau das Gegenteil davon erreicht." Aber ist dem so?

Sibylle Braungart vom Öko-Institut weist diese These als falsch zurück. Sie schreibt auf Anfrage des ARD-faktenfinders: "2023 wurden sehr viele Heizungen eingebaut, auch Gas. Wenn man das dem Gebäude-Energie-Gesetz (GEG) zuordnen wollte - was nicht ganz stimmig ist, da es erst ab 2024 in Kraft ist - würde es wenn überhaupt auf dieses Jahr zutreffen".

Insgesamt wurden laut Braungart 2024 deutlich weniger Heizungen verkauft als 2023 - das treffe auch auf Öl- und Gasheizungen zu. Braungart verweist auf einen Gas-Rückgang von etwa 60 Prozent im vergangenen Jahr.

Europäische Verteidigungsausgaben höher als russischer Staatshaushalt?

Ebenfalls Thema der Sendung war der Krieg Russlands gegen die Ukraine und die Frage nach einer angemessenen Höhe der Verteidigungsausgaben. BSW-Spitzenkandidatin Wagenknecht sagte dazu, die aktuellen Verteidigungsetats der europäischen NATO-Mitglieder seien zusammen höher als der ganze russische Staatshaushalt. Diese Rechnung geht jedoch nicht auf - wie auch Faktenchecks des ZDF und der Deutschen Welle zeigen.

Zahlen des Europäischen Rates zu den Verteidigungsausgaben der EU-Mitgliedsstaaten geben für das Jahr 2024 eine geschätzte Zahl von 326 Milliarden Euro an. Dabei gilt jedoch zu beachten, dass nicht alle EU-Mitglieder auch Mitglieder der NATO sind. Berücksichtigt man nur die 23 EU-Mitgliedstaaten, die auch NATO-Mitglieder sind, beliefen sich die Verteidigungsausgaben im Jahr 2024 auf 1,99 Prozent ihres Gesamt-BIP. Die Verteidigungsausgaben der EU-NATO-Mitglieder dürften in Summe unter den 326 Milliarden Euro liegen.

Auf der anderen Seite gibt es auch europäische NATO-Mitglieder, die nicht in der EU sind - wie etwa Albanien oder die Türkei. Selbst wenn man die Verteidigungsausgaben solcher Länder berechnet, läge man wohl unter der Summe des russischen Staatshaushaltes. Denn den beschloss die russische Staatsduma Ende vergangenen Jahres für 2025 mit 410 Milliarden Euro, 2024 waren es laut Deutscher Welle 36,6 Billionen Rubel - umgerechnet sind dies in etwa 393 Milliarden Euro.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 21. Februar 2025 um 13:50 Uhr.