Kontrolle an Binnengrenzen Kein Abschiebestopp durch EuGH-Urteil
Deutschland dürfe keine Migranten mehr zurückweisen, alle Tore stünden nun offen, so wurde nach einem EuGH-Urteil zur Abschiebung an Binnengrenzen orakelt. Tatsächlich geändert hat sich dadurch aber nichts.
Ein EU-Staat darf bei Kontrollen an Binnengrenzen einen dabei aufgegriffenen illegal eingereisten Nicht-EU-Bürger nicht unmittelbar abschieben. Drittstaatsangehörigen, die kein Asyl beantragen, dürfe die Einreise nur an den EU-Außengrenzen verweigert werden, so heißt es in einem aktuellen Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).
Eine Reihe von Juristen und Organisationen hatte gegen eine solche Regelung in Frankreich geklagt. Das oberste französische Verwaltungsgericht hatte den Fall dem EuGH in Luxemburg vorgelegt. Das Argument der Kläger: Laut der EU-Rückführungsrichtlinie müssen auch illegal eingereiste Drittstaatsangehörige den notwendigen juristischen Prozess durchlaufen. Die zwangsweise Abschiebung sei nur das letzte Mittel.
Ende der Zuwanderungskontrolle befürchtet
Das Urteil schlug insbesondere in asyl- und einwanderungskritischen Kreisen Wellen. Die "Junge Freiheit" titelte dazu: "Deutschland darf keine Migranten mehr zurückweisen." Alle Tore stünden nun offen. Die AfD sieht in der Entscheidung ein "Skandalurteil", das "nicht hinnehmbar" sei. Deutschland müsse selbst entscheiden können, Asylsuchende auszuweisen.
Dabei hat sich nichts geändert - jedes EU-Land muss den ordentlichen Rechtsweg einhalten, das Urteil bestätigte dies nun noch einmal. "lllegal eingereiste Drittstaatsangehörige, also Nicht-EU-Ausländer, können an Binnengrenzen zwischen zwei EU-Staaten nicht einfach so abgewiesen werden", erklärt Christoph Kehlbach aus der ARD-Rechtsredaktion, dazu.
EU-Rechtslage eindeutig
Im Hinblick auf eine potenzielle spätere Abschiebung der Betroffenen müssten die in der Rückführungsrichtlinie vorgesehenen Verfahrensschritte und Fristen eingehalten werden. "Dazu zählt eine individuelle Rückführungsentscheidung und die Möglichkeit für den Betroffenen, freiwillig wieder auszureisen."
Allerdings könnten Nicht-EU-Ausländer unter Umständen in Gewahrsam genommen werden, sofern sie eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellen oder im Verdacht stehen, eine Straftat - abgesehen von der illegalen Einreise - begangen zu haben.
Mit der aktuellen Entscheidung ändere der EuGH seine bisherige Rechtsprechung nicht, sondern bestätige sie vielmehr, sagt Kehlbach. "Es gab schon früher Urteile, die die Geltung der Rückführungsrichtlinie in vergleichbaren Fällen unterstrichen haben." So hatte der EuGH 2019 eine französische Verordnung, über die Drittstaatsangehörigen schon an der Binnengrenze die Einreise nach Frankreich verweigert werden solle, für rechtswidrig erklärt.
Grenzkontrollen keine Maßnahme zur Asyl-Regulierung
Staaten könnten an EU-Binnengrenzen durchaus Kontrollen durchführen, wie Bundesinnenministerin Nancy Faeser sie aktuell an den Grenzen zu Polen und Tschechien fordert, so Kehlbach. "Wenn dabei aber das Ziel ist, Nicht-EU-Ausländer direkt zurückzuweisen, dürfte das in den allermeisten Fällen nicht zu erreichen sein, da so ein Vorgehen dann gegen EU-Recht verstieße."
Laut dem Schengener Grenzkodex dürfen solche Kontrollen ohnehin nur unter "außergewöhnlichen Umständen" angeordnet und auf höchstens bis zu zwei Jahren verlängert werden. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) erklärte zu dem EuGH-Urteil, dieses bestätige ihre Auffassung, dass Binnengrenzkontrollen kein geeignetes Mittel zur Regulierung von Asylantragstellenden seien und es keine nationalen Alleinlösungen zur Bewältigung der Migrationslage gebe.