Missbrauchsskandal um Sean Combs Manipulierte Bilder, KI-Fakes und Verschwörungen
Rund um die Missbrauchsvorwürfe gegen den US-Superstar Sean "Diddy" Combs werden vor allem auf TikTok Fehlinformationen und abstruse Verschwörungserzählungen verbreitet. Viele der Inhalte sind manipuliert oder KI-generiert.
Der US-amerikanische Rapper und Produzent Sean "Diddy" Combs wurde Mitte September festgenommen. Ihm werden unter anderem organisierte Erpressung, gewaltsamer Sexhandel, Betrug und Nötigung vorgeworfen. Mittlerweile gehen mehr als 120 mögliche Opfer anwaltlich gegen ihn vor, ebenso die Staatsanwaltschaft - regelmäßig kommen weitere Anschuldigungen sowie Klägerinnen und Kläger hinzu.
Neben neu auftauchenden Details zu seinen wohl kriminellen Machenschaften mischen sich in den sozialen Netzwerken auch manipulierte Bilder, KI-generierte Songs, falsche Videos, wilde Spekulationen und Verschwörungslegenden. Besonders die Plattform TikTok wird geflutet von Fakes rund um den Combs-Skandal.
Das liege daran, dass das Gerüchteformat optimal für TikTok sei, sagt Una Titz, Monitoring Expertin bei der Amadeu Antonio Stiftung. "Kurze Videos mit hohem spekulativen Wert funktionieren gut, dieses Format lebt durch die Knappheit und einen lakonischen Stil".
TikTok lebe von schnelllebigen Trends. "Creator*innen aus dem Bereich True Crime oder Popkultur haben sich auf spekulative, misinformative Inhalte spezialisiert", so Titz. Des Weiteren bleibe es schwer, seriöse Quellen auf TikTok anzugeben.
Falsche Bilder von Combs mit Harris
Es kursieren gleich mehrere Bilder und Videos auf sämtlichen sozialen Netzwerken, welche die demokratische US-Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris Seite an Seite mit Combs zeigen sollen. Keine der Aufnahmen ist jedoch echt.
Aktuell verbreitet sich ein Bild, das Harris und den US-Rapper auf einer Party zeigen soll. Über dem Foto steht auf Englisch, dass Kamala Harris und ihr Team mehr als fünf Millionen Dollar ausgegeben hätte, um Bilder von ihr und Combs aus dem Internet zu entfernen. Schnell jedoch fällt auf, dass Harris auf dem Foto nicht authentisch wirkt und ihr Gesicht ins Bild montiert wurde.
Eine Bilderrückwärtssuche zeigt, dass das Bild aus dem Jahr 2019 ist und Combs mit der Modestylistin Misa Hylton zeigt. Das Original wurde gespiegelt, herangezoomt und die Gesichter der Frauen ausgetauscht. Ein weiteres weit verbreitetes Video und dazugehörige Screenshots zeigen zwar tatsächlich Harris, doch ihre Begleitung ist nicht wie behauptet Sean Combs, sondern der Fernsehmoderator Montel Williams.
Auch US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump teilte das Bild, um seine Konkurrentin Harris in den Skandal um Combs mit einzubeziehen. Dabei gibt es von Trump selbst zahlreiche authentische Bilder, die ihn zusammen mit dem Musiker zeigen.
Ein manipuliertes Bild soll Kamala Harris neben Sean "Diddy" Combs zeigen. Es ist nicht authentisch. Quelle: X
Viele Spekulationen über Prominente
Doch nicht nur Harris' Name taucht in den Beiträgen auf. Viele weitere prominente Namen werden zum Teil aufgrund manipulierter Inhalte mit Combs Machenschaften in Verbindung gebracht - aus ganz unterschiedlichen Motiven, sagt Titz. "Es gibt keine kohärente und übergeordnete Metaerzählung, wie es sonst bei Verschwörungserzählungen der Fall ist, sondern vielmehr viele kleinere Erzählungen." Das liege unter anderem daran, dass jede Nische eine eigene ideologische Einfärbung besitze und den Fall Combs als Platzhalter für die Validierung ihrer Ansichten nutze.
So soll ein Bild angeblich die Sängerin Jennifer Lopez zeigen, wie sie zusammen mit Combs und weiteren Personen an einer seiner Sexpartys teilnimmt. Dazu heißt es, dass das der wahre Grund sei, weshalb Lopez und der Schauspieler Ben Affleck sich getrennt hätten.
Doch das Bild, das unter anderem von Anhängern der Verschwörungserzählung QAnon verbreitet wird, wurde bearbeitet. So wurden unter anderem die Gesichter von Lopez und Combs offensichtlich auf die Körper montiert, da sie viel schärfer sind als der Rest des Bildes. Zudem weist das Foto noch weitere Ungereimtheiten auf.
Beim antisemitischen Verschwörungskult QAnon werde Combs mit US-Multimillionär Jeffrey Epstein gleichgesetzt, so Titz. Epstein wurde angeklagt, einen Ring zur sexuellen Ausbeutung Minderjähriger unterhalten zu haben. In der Untersuchungshaft nahm er sich das Leben. Bei den Verschwörungserzählungen von QAnon werden den angeblichen Protagonisten aus Politik, Medien und Unterhaltung satanistische, sadistische und pädophile Handlungen unterstellt.
KI-generierter Song mit Stimme von Justin Bieber
Auch der Name des kanadischen Musikers Justin Bieber wird in den sozialen Netzwerken oft erwähnt. Er soll demnach angeblich eines der Opfer von Combs sein. Als vermeintlicher Beweis wird dabei ein Lied von Bieber herangezogen, in dem es übersetzt auf Deutsch heißt: "Ich habe mich auf einer Diddy-Party verloren. Ich wusste nicht, dass es so ablaufen würde. Ich war wegen eines neuen Ferraris dabei, aber es hat mich viel mehr gekostet als meine Seele. Es war das ganze Vermögen und den Ruhm nicht wert."
Allerdings hat Justin Bieber dieses Lied nie gesungen - es ist KI-generiert auf Grundlage seiner Stimme. In Wahrheit gibt es weder einen Song von Bieber mit diesen Zeilen, noch mit der Melodie.
Angebliche Tunnel mit Verbindungen zu anderen Häusern
Zudem wird in den sozialen Netzwerken viel über angebliche Tunnel in Combs' Anwesen berichtet. In einigen Beiträgen heißt es etwa, dieser Tunnel sei mit der nahe gelegenen Playboy-Mansion verbunden. Anderen Posts zufolge soll dieser Tunnel wiederum angeblich eine Verbindung zu dem Haus des im Jahr 2009 verstorbenen Musiker Michael Jackson sein. Doch für all das gibt es keinerlei Beweise.
Bekannt ist lediglich, dass die Strafverfolgungsbehörden in der Villa von Combs einen Tunnel entdeckt haben. Dabei handelt es sich aber Berichten zufolge um einen Unterwasser-Schwimmtunnel, der Teil einer größeren Pool-Anlage ist. US-amerikanische Medien hatten über diese Anlage bereits vor Jahren berichtet. So hieß es in einem Artikel der Los Angeles Times aus dem Jahr 2014, dass die Villa einen Swimmingpool im Lagunenstil mit einer Grotte hat, die durch einen Unterwasser-Schwimmtunnel verbunden ist.
Auch angebliches Videomaterial von dem Tunnel ist nicht echt. So wurden Videos verbreitet, in denen behauptet wird, dass angeblich vom US-amerikanischen Fernsehsender CNN verbreitetes Filmmaterial über diese Tunnel zu sehen sei. Demnach hätten Combs und der Rapper Jay Z dort an "illegalen sexuellen Aktivitäten" teilgenommen. Allerdings hat CNN nie derartiges Material veröffentlicht, die Videos wurden mithilfe künstlicher Intelligenz erstellt.
"KI macht Videos erlebbarer"
Auch ein Bild, das angeblich zeigen soll, dass in der Cartoon-Fernsehserie "Die Simpsons" der Skandal um Combs vorhergesagt worden wäre, wurde mit KI erstellt. Es zeigt Combs als Zeichentrickfigur, wie er vor Polizisten davonläuft. Allerdings gibt es diese Szene in keiner Folge der Serie.
Ein KI-generiertes Bild suggeriert, dass die Serie "Die Simpsons" den Missbrauchsskandal um Sean "Diddy" Combs vorhergesagt haben soll. Dies ist jedoch falsch. Quelle: TikTok
"Generell eignen sich KI generierte Inhalte ideal, um Desinformationen zu verbreiten und damit Verschwörungserzählungen weiter zu nähren", sagt Titz. Zusätzlich werde KI auf TikTok nach wie vor nicht stringent gekennzeichnet - das sei ein gutes Schlupfloch für Desinformation. Titz würde KI als "Stilmittel" oder "Mittel des Storytellings" einordnen. "Creator*innen gestalten ihre Videos erlebbarer, indem sie auf KI-Videos mit Combs oder vermeintliche Stimmaufnahmen setzen."