Schottland und Nordirland Rückenwind für die Nationalisten
Die Wahlergebnisse in Großbritannien haben auch Schattenseiten für Premier Johnson. Denn in Schottland und Nordirland gewinnen die Nationalisten hinzu. Das dürfte Unabhängigkeitsbestrebungen stärken.
Sie sind neben den Tories die großen Gewinner dieser Wahl: Die schottische Nationalpartei SNP errang den bisherigen Ergebnissen zufolge 48 der 59 schottischen Parlamentssitze - und damit 13 Mandate mehr als noch 2017. Ein Ergebnis, das SNP-Chefin Nicola Sturgeon rasch zum Anlass nahm, ein neues Unabhängigkeitsreferendum zu fordern. "Boris Johnson hat erstens kein Recht, Schottland aus der EU zu nehmen, und zweitens kein Recht zu verhindern, dass das schottische Volk über seine eigene Zukunft bestimmt", sagte sie in der BBC.
Die Forderungen der SNP sind nichts Neues, doch das starke Abschneiden bei der Wahl dürfte den Unabhängigkeitsbefürwortern den Rücken stärken. Und auch in Nordirland konnten die sogenannten Nationalisten Erfolge verbuchen: Erstmals seit der Abspaltung von Irland 1921 erhielten sie mehr Stimmen als die pro-britischen Unionisten. Die führende Nationalistenpartei Sinn Fein verteidigte ihre sieben Sitze, die pro-irische SDLP gewann zwei Mandate. Zusammen liegen sie damit vor der DUP, die zwei Sitze verlor und nun auf acht Mandate kommt.
"Auch in Nordirland oder Wales werden Bestrebungen stärker"
Kaum hat Johnson die für den Brexit erforderliche Mehrheit im Parlament, schon scheint das Auseinanderbrechen des Vereinigten Königreichs zu drohen. "Selbst bei all ihrem Jubel könnten die Konservativen fürchten, dass sie zwar den Brexit gesichert, aber das Vereinigte Königreich verloren haben", schrieb die "Financial Times".
SPD-Politikerin Katarina Barley, die neben der deutschen die britische Staatsbürgerschaft hat, äußerte sich besorgt über die Abspaltungstendenzen. "Mir macht große Sorgen, dass ein Auseinanderbrechen des Vereinigten Königreiches bevorstehen könnte", sagte die Vizepräsidentin des Europaparlaments im Inforadio des rbb. "Schottland ist ja schon länger auf dieser Route, aber auch in Nordirland oder Wales werden die Bestrebungen stärker."
Zustimmung der britischen Regierung nötig
Noch 2014 hatten beim Unabhängigkeitsreferendum in Schottland 55 Prozent gegen die Abspaltung gestimmt. Bei der Brexit-Abstimmung 2016 sprach sich jedoch mit 62 Prozent eine noch deutlichere Mehrheit für einen Verbleib in der EU aus.
Die Rufe nach einem neuen Unabhängigkeitsvotum dürften nach der Wahl in Großbritannien nun noch lauter werden. Allerdings haben dessen Befürworter dabei ein Problem: Für ein solches Referendum ist die Zustimmung der britischen Regierung nötig - und die ist mindestens fraglich.