Iranischer General Tod eines Schattenmanns - und die Folgen
Top-General Soleimani war ein begnadeter Strippenzieher. Sein Auftrag: Den Einfluss des Iran in der Region vergrößern und den Feind - die USA - reizen. Über Soleimanis Aufstieg, seinen Tod - und die Folgen.
Wie wichtig war Kassem Soleimani?
Kassem Soleimani war in gewisser Weise ein Schattenmann. Die Bedeutung von Schattenmännern wird in den Medien oft überbewertet - weil man nicht wirklich viel über sie weiß. Bei Soleimani ist das anders. Der Mann war extrem wichtig und einflussreich. Er war einer der wichtigsten Berater von Revolutionsführer Ali Khamenei. Er wurde in den vergangenen Jahren immer wieder ins Gespräch gebracht, wenn es um hohe und höchste Ämter im Iran ging. Er wurde als potenzieller Nachfolger von Präsident Hassan Rouhani gehandelt. Manche haben ihn sogar als möglichen Nachfolger von Khamenei ins Spiel gebracht.
Was war er für ein Typ?
Soleimani ist mit 23 Jahren der iranischen Revolutionsgarde beigetreten. Mit 25 wurde er Brigadegeneral. Er hat den ganzen ersten Golfkrieg von 1980 bis 1988 mitgemacht. Dieser brutale Krieg, den der Irak mit westlicher Unterstützung gegen den Iran geführt hat, hat den gelernten Wasserwerker aus der Provinz Kerman geprägt, hat sein Weltbild zementiert. Die Revolutionsgarde ist noch von Revolutionsführer Ayatollah Khomeini mit dem Zweck gegründet worden, die Machtüberübernahme durch die Geistlichen im Iran zu sichern, die Revolution im Innern zu verteidigen und nach außen zu exportieren. Soleimani hat das wie kein Zweiter umgesetzt.
Wie genau hat er das gemacht?
Sein Werkzeug waren die Al-Kuds-Brigaden. Das sind die Verbände innerhalb der Revolutionsgarde, die im Ausland aktiv sind. Es war vor allem sein Verdienst, schiitische Hilfstruppen im Irak und im Libanon aufzustellen. Im syrischen Bürgerkrieg spielten und spielen iranische Revolutionswächter und angeworbene schiitische Söldner aus dem Irak, aus Afghanistan und dem Libanon eine entscheidende Rolle. Die Al-Kuds-Brigaden sind darüber hinaus auch im Jemen aktiv und es werden ihnen zahlreiche Terroranschläge weltweit angelastet.
War Soleimani nur ein militärischer Haudrauf?
Nein, der Mann war ein begnadeter Strippenzieher. Er hat Gruppen und Menschen zusammengebracht, die eigentlich nicht miteinander können. Zum Beispiel im Irak, wo er konkurrierende schiitische Milizen zusammengeführt hat. Und es ist ihm auch gelungen, sunnitische Gruppierungen für seine Zwecke einzuspannen. Er hat im Auftrag Khameneis Außenpolitik betrieben. Eine Außenpolitik, die ein Ziel hatte: Den Einfluss Irans in der Region zu vergrößern, um damit strategischen und militärischen Defiziten gegenüber den USA begegnen zu können.
Oberste Priorität war immer der Kampf gegen die USA. Es hat zeitweise Kooperationen zwischen Soleimanis Kämpfern und US-Truppen gegeben. Zum Beispiel beim Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) im Irak. Soleimani war hier eine treibende Kraft. Er vertrat die Ansicht, der IS sei eine Ausgeburt US-amerikanischer Politik. Zuerst musste also nach 2014 der IS besiegt und dann der Einfluss Washingtons auf den Irak ausgeschaltet werden. Soleimani war die iranische Exekutive im Irak. Nichts Entscheidendes wurde im Irak umgesetzt, was nicht die Zustimmung von ihm hatte.
Hat Soleimanis Tod Folgen für den Irak?
Dem Irak droht eine gefährliche Zerreißprobe. Mit den Hashd al-Shaabi, den Kataib Hizbollah, den Badr-Brigaden und vielen anderen Gruppierungen und Milizen hat der Iran schlagkräftige Truppen im Irak aufgestellt, die jetzt ihren wichtigsten Kopf und Impulsgeber verloren haben. Es ist zu bezweifeln, dass es im Iran einen adäquaten Nachfolger von Soleimani gibt, der die Reihen so zusammenhalten kann. Jetzt könnten Zentrifugalkräfte freigesetzt werden, die eine verheerende Wirkung im Irak entfalten können.
Für Washington wird es im Irak nicht leichter - im Gegenteil. Die vom Iran geschürte anti-amerikanische Stimmung droht zuzunehmen. Die Regierung in Bagdad wird versuchen, den Einfluss der USA weiter einzuschränken, um Druck aus dem Kessel zu nehmen.
Kürzlich versuchten Demonstranten, die US-Botschaft in Bagdad zu stürmen. Washington macht Teheran dafür verantwortlich ...
Es waren vom Iran unterstützte Gruppen dabei. Das iranische Regime führt einen asymmetrischen Krieg im Nahen Osten, weil es sich bedroht fühlt, weil es vor dem wirtschaftlichen Kollaps steht, weil es um seine nackte Existenz geht. Zündeln und Eskalieren gehören dabei zum Repertoire Teherans. Washington hat nicht reagiert auf den Abschuss einer US-Spionagedrohne, auf Angriffe auf Tanker im Persischen Golf und auf saudische Ölanlagen. Das alles soll auf das Konto von Soleimani gehen. Jetzt hat Washington reagiert.
Droht nun offener Krieg?
Der Iran hat nicht die militärischen Mittel, mit den USA und ihren Verbündeten einen Krieg zu führen. Teheran wird weiter zündeln, es wird möglicherweise Terroranschläge geben und Raketenangriffe auf US-Truppen oder deren Verbündete.
Wer könnte deeskalieren?
Europa ist zu schwach, die Vereinten Nationen sind zu einflusslos. Moskau und Peking kämen in Frage. Sie unterstützen Teheran nach wie vor und halten am Atomabkommen fest. Sie haben jüngst gemeinsam mit dem Iran Marinemanöver abgehalten. Sie sehen das Vorgehen Washingtons gegen den Iran sehr kritisch. Aber vieles hängt jetzt davon ab, was die kommenden Tage bringen. Die Hardliner in Teheran müssen reagieren, wenn sie vor ihren eigenen Unterstützern nicht als kraftlos erscheinen wollen.
Das Zündeln im Irak hatte auch den Zweck, von den massiven inneren Schwierigkeiten abzulenken. Das iranische Regime braucht den Druck äußerer Feinde, um den Laden im Inneren zusammenzuhalten. Soleimani war dafür zuständig, den äußeren Feind zu reizen. Darin war er ein Meister, aber offensichtlich hat er überreizt. Die Führung in Teheran ist gewarnt.