NATO-Russland-Rat Bewegung im Millimeterbereich
Die NATO und Russland sind sich darin einig, in wesentlichen Punkten uneinig zu sein - das bekräftigten beide Seiten nach einem Treffen in Brüssel. Gleichwohl verabredete man vertrauensbildende Maßnahmen, um militärische Zwischenfälle zu vermeiden.
Von Kai Küstner, ARD-Studio Brüssel
Dass sich die Annäherung zwischen Ost und West, wenn überhaupt, dann höchstens in Milli- oder Zentimetern würde messen lassen, war von vornherein klar. Doch auf die Frage, ob und wenn ja wie weit sich die NATO und Russland bei ihrem Treffen aufeinander zubewegt hätten, dafür mochte Generalsekretär Stoltenberg im Interview mit dem ARD-Studio Brüssel kein genaues Längenmaß angeben. "Die Sitzung war ein Schritt in die richtige Richtung", bekundete Stoltenberg.
Die Atmosphäre beschrieb Stoltenberg als "gut": "Wir hatten freimütige und offene Gespräche. Aber natürlich stimmten wir nicht bei allen Themen überein."
Bleibt bei seinen Vorwürfen an die Allianz: Russlands NATO-Botschafter Gruschko
Der Streit um Aufrüstung bleibt
Das gilt insbesondere für die Truppen-Aufstockung der Allianz in Osteuropa. Wie versprochen, erteilte die NATO der russischen Seite bei dem Treffen Auskunft über die vor wenigen Tagen beim Gipfel in Warschau verabschiedeten Pläne, rund 4000 Soldaten als Verstärkung und Abschreckung nach Polen und ins Baltikum zu schicken:
Dafür, so Stoltenberg, hätten sich die russischen Vertreter bedankt. "Aber natürlich haben sie da komplett andere Ansichten", gab Stoltenberg freimütig zu. In der Tat beharrte der russische NATO-Botschafter, Alexander Gruschko, nach dem Treffen darauf, sein Land sei für niemanden eine Bedrohung. Es sei vielmehr die NATO, die gerade die Sicherheitslage verändere. "Darauf muss sich Russland nun einstellen."
Zeichen vorsichtiger Annäherung
Es bleibt also bei den gegenseitigen Vorwürfen. Für dieses Treffen des NATO-Russland-Rats gilt ähnliches wie für die letzte Begegnung im April: Der Weg ist das Ziel. Dass man überhaupt redet, ist ein Wert an sich. Doch nun deutet sich auf beiden Seiten ein Thema an, bei dem es eine vorsichtige Annäherung geben könnte:
Russland machte in Brüssel konkrete Vorschläge, wie man gefährliche Zusammenstöße im Luftraum über der Ostsee vermeiden könne. Beide Seiten werfen sich ja seit langem gegenseitig vor, bei Manövern ihre Funkgeräte und Transponder auszuschalten. Jene Geräte also, die wichtige Flugdaten übermitteln. Nun will man versuchen, die Risiken für den Luftverkehr - den zivilen wie auch militärischen - zu vermindern:
Stoltenberg jedenfalls begrüßte die Vorschläge und versprach, sie zu prüfen. Denn: "Wir sprechen uns ja seit langem genau dafür aus."
Die Ahnung eines Hauchs von mehr Sicherheit
Sollte es wirklich zu verstärkten Gesprächen der Militärs beider Seiten untereinander kommen, könnte das für einen Hauch mehr Sicherheit sorgen. Nicht nur am Himmel über der Ostsee.
Auch wenn Teilnehmer an dem Treffen in Brüssel loben, man habe sich unaufgeregt ausgetauscht - insgesamt bleibt es dabei: In den wichtigsten Fragen liegen weiter Welten zwischen der NATO und Russland. Der Dialog allerdings geht weiter.
Ohne einen Termin zu nennen, erklärte Stoltenberg im ARD-Interview, es werde weitere Treffen geben. Vor der Sommerpause werde der NATO-Russland-Rat aber wohl kaum erneut tagen. Nach einem fordernden Gipfel in Warschau hätten sich viele bei der NATO erstmal Urlaub verdient.