Israels Angriffe auf Gaza "Das Bombardement war sehr heftig"
Israel bombardiert weiter den Gazastreifen. Anwohner berichten von starkem Beschuss in der Mitte des Küstenstreifens. Das UN-Menschenrechtsbüro äußerte sich höchst besorgt.
Die israelische Armee hat ihr Bombardement von Zielen im Gazastreifen fortgesetzt. Nach Angaben der Armee griffen Dutzende Kampfflugzeuge im Verbund mit Bodentruppen erneut mehr als 100 Ziele an. Es seien unter anderem Tunnelschächte der militant-islamistischen Hamas attackiert worden.
In der Nacht sei eine Terrorzelle in Dschabalia im Norden des Gazastreifens ausgeschaltet worden, die versucht habe, Sprengstoff nahe eines israelischen Panzers zu platzieren. Die Truppen hätten die Terroristen bekämpft. Ein Kampfflugzeug habe sie dann getötet. Die Angaben des Militärs können derzeit nicht unabhängig überprüft werden.
Graue Flächen: Bebaute Flächen im Gazastreifen. Schraffur: Israelische Armee
Bewohner berichten von "heftigen Bombardement"
Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde des Küstenstreifens sind bei den jüngsten Angriffen mindestens 52 Menschen getötet worden. Auch der Palästinensische Rote Halbmond berichtet von mehreren Toten und Verletzten nach einem Angriff auf ein Haus in Chan Yunis im Süden des Gazastreifens. Eine konkrete Opferzahl wurde nicht genannt. Ein Videoreporter der Nachrichtenagentur AP, der vor Ort war, berichtete von mindestens zwei Leichen und 15 Verletzten - die meisten von ihnen Kinder.
Wie Bewohner gegenüber AP berichteten, sind mehrere Orte im zentralen Gazastreifen vom israelischen Militär bombardiert worden. In den Flüchtlingssiedlungen Nuseirat, Maghasi und Bureidsch seien Raketen und Artilleriegeschosse eingeschlagen. "Das Bombardement war sehr heftig", sagte der Lehrer Radwan Abu Scheitta. Er äußerte die Vermutung, dass die israelische Bodenoffensive dort ausgeweitet werden solle. "Es sieht so aus, als ob sie näherkommen."
Die Kassam-Brigaden, der bewaffnete Arm der Hamas, teilte mit, dass Hamas-Mitglieder außerhalb von Bureidsch einen israelischen Panzer beschossen hätten. Unabhängig konnte das nicht bestätigt werden.
Bisher liefern sich israelische Bodentruppen heftige Gefechte mit der Hamas im Norden sowie um die Stadt Chan Yunis im Süden.
UN kritisieren intensive Bombardierungen
Ein Sprecher des UN-Menschenrechtsbüros äußerte sich höchst besorgt über die fortgesetzten israelischen Bombardierungen im mittleren Gazastreifen. Dabei seien seit Heiligabend allein in zwei Flüchtlingslagern 137 Menschen ums Leben gekommen, teilte das Büro am Dienstag unter Berufung auf Angaben der Organisation "Ärzte ohne Grenzen" mit. Am 24. und 25. Dezember seien Berichten zufolge mehr als 50 Luftangriffe ausgeführt worden. Getroffen worden seien demnach drei Flüchtlingslager beziehungsweise -siedlungen.
Alle Straßen zwischen den Lagern seien zerstört worden, was die Versorgung mit Hilfsgütern deutlich erschwere. Die Versorgungslage sei auch vorher schon katastrophal gewesen. Das UN-Menschenrechtsbüro erinnerte daran, dass die israelischen Streitkräfte zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts alles tun müssen, um zu vermeiden, dass Zivilisten zu Schaden kommen. "Warnungen und Evakuierungsanordnungen entbinden sie nicht von allen Verpflichtungen des humanitären Völkerrechts."
Die Zahl der Toten im Gazastreifen seit dem Angriff der israelischen Armee ist nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde auf 20.915 gestiegen. Allein in den vergangenen 24 Stunden seien 241 Menschen ums Leben gekommen. Insgesamt seien 54.918 Menschen durch die Kämpfe verletzt worden.
Die Zahlen lassen sich gegenwärtig nicht prüfen. Die UN und andere Beobachter weisen darauf hin, dass sie sich in der Vergangenheit als insgesamt glaubwürdig herausgestellt hätten.
Gallant sieht "Mehrfrontenkrieg"
Regierungschef Benjamin Netanyahu sagte bei einem Besuch der in Gaza kämpfenden Truppen, Israel werde "den Kampf in den kommenden Tagen vertiefen". Verteidigungsminister Yoav Gallant deutete zudem Vergeltungsmaßnahmen gegen Irak, Iran und Jemen an. "Wir befinden uns in einem Mehrfrontenkrieg und werden aus sieben Schauplätzen angegriffen: Gaza, Libanon, Syrien, Judäa und Samaria (Westjordanland), Irak, Jemen und Iran", sagte er israelischen Medien zufolge. "Wir haben bereits in sechs dieser Bereiche reagiert und gehandelt und ich sage hier in aller Deutlichkeit: Jeder, der gegen uns vorgeht, ist ein potenzielles Ziel, es gibt keine Immunität für irgendjemanden."
Im Grenzgebiet zwischen Israel und dem Libanon beschossen sich die Hisbollah und die israelische Armee erneut. Die vom Libanon aus agierende und mit dem Iran verbündete Schiitenmiliz teilte mit, sie habe militärische Ziele in Israel beschossen und dabei "Volltreffer" erzielt. Auch bei Schomera weiter westlich habe sie israelische Soldaten getroffen.
Die israelische Armee teilte mit, im Norden Israel habe eine Panzerabwehrrakete eine Kirche getroffen. Dabei sei in dem Ort Ikrit auch ein Zivilist verletzt worden.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch Konfliktparteien können in der aktuellen Lage zum Teil nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.