Zum 100. Geburtstag Kennedy - ein Mythos bis heute
Er war der 35. US-Präsident - und in vielerlei Hinsicht das Gegenteil des derzeitigen: John F. Kennedy. Seine Reden, sein Charisma und die Aufbruchstimmung faszinieren noch immer. Heute wäre Kennedy 100 Jahre alt geworden. Martin Ganslmeier über den Mythos und sein Vermächtnis.
Von Martin Ganslmeier, ARD-Studio Washington
Vielleicht ist es der Kontrast zum aktuellen Präsidenten, weshalb sich zumindest das liberale Amerika gerne an Kennedy erinnert. Im kollektiven Gedächtnis der Amerikaner ist Kennedy der junge gut aussehende Präsident geblieben, der sein Land aus den biederen 1950er-Jahren in die Moderne katapultierte. So viel Aufbruch wie unter Kennedy Anfang der 1960er-Jahre gab es selten in den USA.
Alles schien möglich
Der erst 43-jährige Kennedy strahlte intellektuelle Brillianz aus, zugleich Idealismus, Optimismus und Hoffnung. Ein Satz aus seiner Antrittsrede im Januar 1961 findet sich noch heute in Stein gemeißelt an vielen Gebäuden und Brücken, die Kennedys Namen tragen: "Fragt nicht, was Euer Land für Euch tun kann, sondern fragt, was Ihr für Euer Land tun könnt!"
Eines der bleibenden Vermächtnisse Kennedys ist das "Peace Corps". Seit seiner Gründung 1961 haben 200.000 junge Amerikaner freiwillig Entwicklungshilfe meist in Ländern der Dritten Welt absolviert. Kennedy holte die besten und klügsten Köpfe Amerikas in seine Regierung. Alles schien damals möglich.
Zitate für die Ewigkeit
Kurz nach Amtsantritt verkündete Kennedy das ehrgeizige Ziel, bis zum Ende des Jahrzehnts einen "Mann auf dem Mond zu landen und ihn sicher auf die Erde zurückzubringen."
Kennedys Visionen und seine Entschlossenheit wirken auch heute noch mitreißend. Noch so ein Zitat für die Ewigkeit: "Wir haben uns entschlossen, auf den Mond zu fliegen und andere Dinge zu erreichen - nicht weil das leicht ist, sondern weil es schwer sein wird."
"Ich bin ein Berliner"
Auch außenpolitisch wird Kennedy in den nur 1000 Tagen seiner Amtszeit vor schwere Herausforderungen gestellt. Nach dem Mauerbau mitten in Berlin droht eine Eskalation des Kalten Krieges. Viele West-Berliner haben Angst, dass der Westen sie im Stich lässt.
Kennedy reist in die geteilte Stadt und sichert den West-Berlinern die Unterstützung Amerikas zu: "In der freien Welt gibt es heute keinen stolzeren Satz", ruft Kennedy den Berlinern zu und sagt dann auf deutsch: "Ich bin ein Berliner!"
Rund eine halbe Million Deutsche sind dabei, als Kennedy im Juni 1963 Berlin besucht. Vor dem Schöneberger Rathaus sagt er den legendären Satz: "Ich bin ein Berliner!"
Ein knappes Jahr zuvor während der Kuba-Krise standen die beiden Supermächte am Rande eines Atomkriegs. Als die Sowjetunion schließlich ihre Atomraketen aus Kuba abzieht, richtet Kennedy ein Krisentelefon mit Moskau ein - das "rote Telefon" gibt es noch heute. Und Kennedy warnt vor dem Wahnsinn des atomaren Wettrüstens: "Wir alle wohnen auf diesem kleinen Planeten. Wir alle atmen die selbe Luft. Uns allen ist die Zukunft unserer Kinder wichtig. Und wir sind alle sterblich."
Glamour und Tragik lagen bei den Kennedys stets eng zusammen.
Die tödliche Schüsse
Wenige Monate später wird Kennedy ermordet. Das letzte Foto der Ausstellung zum 100. Geburtstag von JFK im Kunstmuseum von Washington ist das berühmte Bild aus Dallas: der türkisblaue Himmel, das pinke Kostüm seiner Frau Jackie, das Rot der Rosen in ihrem Arm.
Die tödlichen Schüsse, die wenig später fallen, machen ihn für immer zum Mythos - trotz aller Skandale und Verschwörungstheorien, die sich bis heute um Kennedy ranken. In der Rangliste der besten US-Präsidenten sehen US-Historiker Kennedy nur auf Platz 10. Schließlich hat er den Vietnam-Krieg begonnen und manches, was er anstieß, wie mehr Bürgerrechte für Schwarze, wird eher seinem Nachfolger Lyndon B. Johnson angerechnet.
Dennoch denken heute zum 100. Geburtstag Kennedys viele Amerikaner mit Wehmut zurück an eine Zeit, in der das Land weniger gespalten und weniger zynisch schien als heute.