Syriza-Kandidat Kasselakis "Schocktherapie" für das Mitte-Links-Lager
Griechenlands Linke hat einen unwahrscheinlichen Hoffnungsträger: Der 35-jährige Stefanos Kasselakis machte in den USA Karriere als Investmentbanker - und will jetzt Syriza mit einer Sozialagenda zum Erfolg führen.
Es liegt Zuversicht in der Luft in Zentrum von Thessaloniki. Ein paar hundert Menschen, mehrheitlich Anhänger der Linken, beklatschen Stefanos Kasselakis, der seit einigen Wochen mit dem für ihn typischen strahlenden Lächeln durchs Land tourt. Kasselakis ist der neue Hoffnungsträger der griechischen Opposition. Erst im August hat der politische Quereinsteiger angekündigt, für den Parteivorsitz des linken Syriza zu kandidieren. Nicht auf einer Parteiveranstaltung oder einer Pressekonferenz, sondern per mit Musik unterlegtem YouTube-Video und den Worten: "Mein Name ist Stefanos und ich habe euch etwas zu sagen."
Ein Paar macht ein Selfie mit Stefanos Kasselakis.
Eine ungewöhnliche Art, sich der bislang traditionsbewussten griechischen Linken als neuem Führer anzudienen. Noch ungewöhnlicher für Syriza ist die Person Stefanos Kasselakis selbst. Der Mann, der Griechenlands darniederliegende Opposition wiederbeleben will, ist erst 35 Jahre alt, hat bis vor kurzem in Miami in den USA gelebt und es als Investmentbanker und Reeder nach Angaben griechischer Medien zum Millionär gebracht.
Außerdem, im konservativen Griechenland immer noch eine Meldung, lebt Kasselakis in einer eingetragenen Partnerschaft mit einem Mann und möchte durch eine Leihmutter bald Vater werden. In seinem Vorstellungsvideo betonte Kasselakis: "Ich habe keine Gay-Agenda, ich habe eine menschliche Agenda." Ihm sei bewusst, dass er keine Parteierfahrung habe - stattdessen, sagte Kasselakis, habe er Erfahrung "im Beruf und im sozialen Leben".
Lob für "politisches Phänomen"
Den ersten Durchgang der Mitgliederbefragung am vergangenen Sonntag gewann Kasselakis mit 45,04 Prozent klar vor der ehemaligen Arbeitsministerin Efi Achtsioglou, die 36,21 Prozent erreichte. "Entdeckt" wurde der in Griechenland geborene Selfmade-Geschäftsmann vom scheidenden, langjährigen Syriza-Chef Alexis Tsipras, der ihn für Syriza auf die Wahlliste setzte - auch wenn es Kasselakis dann nicht ins Parlament schaffte. Nun will der bis vor wenigen Monaten in Griechenland völlig Unbekannte in die erste Reihe.
Der Abgeordnete Petros Pappas gehört zu den prominenten Unterstützern von Kasselakis und lobt diesen als "politisches Phänomen". In sehr kurzer Zeit habe er es geschafft, "landesweit bekannt zu werden, eine große Akzeptanz in der Bevölkerung zu erlangen und eine Hoffnung für das Mitte-Links-Lager im Land zu verkörpern". Das Mitte-Links-Lager, das laut Pappas nach der vergangenen Wahl "auf der Intensivstation" gelegen habe, brauche "eine Schocktherapie".
Investmentbanker gibt sich geläutert
Kasselakis gilt als frische Alternative zu den altbekannten Syriza-Größen, die von den Anhängern der Partei für den Niedergang der vergangenen Jahre verantwortlich gemacht werden. Er verspricht mehr Transparenz, weniger Privilegien, bessere Gesundheitsversorgung und mehr Bildung für alle, eine Trennung von Kirche und Staat, eine Abschaffung der Wehrpflicht und eine Politik, die es ermöglicht, dass junge Menschen schneller auf eigenen Füßen stehen: Sie sollten, sagt Kasselakis in Thessaloniki, nicht "mit 35 Jahren immer noch bei ihren Eltern wohnen" müssen.
Vor allem aber punktet Kasselakis mit seinem gewinnenden Auftreten - und seiner Biografie des in der Welt Erfolgreichen. Mit 14 Jahren ging nach eigenen Angaben als Hochbegabter mit einem Mathematik-Stipendium in die USA und machte dort seinen Weg. Unter anderem in einem bei der griechischen Linken tief verhassten Beruf: als Investmentbanker bei Goldman Sachs. Kasselakis aber gibt sich geläutert und erzählt, er habe in der Welt der Investmentbanken erlebt, wie Kapital sich billig Arbeit kaufe - und sich deswegen abgewandt.
Der erfolgreiche Investmentbanker will mit einem Sozial-Wahlprogramm Karriere machen.
Ein erster Fauxpas beim Thema Zypern
Sein prominenter Unterstützer Pappas glaubt, Kasselakis werde für Syriza auch die politische Mitte der Gesellschaft erobern können - und als Gewinnertyp in der Lage sein, Regierungschef Mitsotakis herauszufordern. "Dies ist die größte Hoffnung, die mit Kasselakis verbunden ist", meint Pappas. Er lobt Kasselakis' Mut und Entschlossenheit. Mit diesen Eigenschaften nähre der 35-Jährige die Hoffnung, "dass er gegen seinen politischen Gegner gewinnen wird".
Wie häufig bei politischen Quereinsteigern, ist aber auch Kasselakis nicht sicher vor dem Fettnapf. Kurz vor der Abstimmung am Sonntag hat er mit einem Nebensatz zur Türkei für Schlagzeilen gesorgt. Kasselakis bezeichnete den besetzten nördlichen Teil Zyperns als "Provinz der Türkei" - ein grober Fauxpas im politischen Griechenland.