Juncker rügt EU-Gipfel "Ich war erster und letzter Spitzenkandidat"
Der scheidende EU-Kommissionspräsident Juncker hat die EU-Staats- und Regierungschefs wegen des Nominierungsverfahrens für die EU-Spitzenposten kritisiert. Das Spitzenkandidaten-Prinzip hält er dadurch für gescheitert.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat die EU-Staats- und Regierungschefs für ihr Vorgehen im Zusammenhang mit der Neubesetzung von EU-Spitzenposten kritisiert. "Der Prozess war nicht sehr transparent", sagte er. Dies stelle einen Bruch mit der Praxis dar, nur Spitzenkandidaten des Europawahlkampfes für die Leitung der EU-Kommission in Betracht zu ziehen.
Juncker sagte, seine Wahl vor fünf Jahren sei transparent gewesen, da er vom EU-Rat als EU-Kommissionspräsident vorgeschlagen worden sei, nachdem er als Spitzenkandidat bei der Europawahl angetreten war. "Leider ist das keine Tradition geworden", erklärte er. Er habe immer das Gefühl gehabt, in die Geschichte einzugehen, sagte Juncker weiter - aber nicht auf diese Art. "Ich war der erste und der letzte Spitzenkandidat", sagte er.
Von der Leyen als Kompromisskandidatin
Am Dienstag hatten sich die 28 Staats- und Regierungschefs in der EU weder auf den konservativen EVP-Spitzenkandidaten Manfred Weber noch auf den sozialdemokratischen Spitzenkandidaten Frans Timmermans als neuen EU-Kommissionschef verständigen können.
Um eine Einigung zu erreichen, war nach Angaben von EU-Diplomaten vor allem von Frankreich und EU-Ratspräsident Donald Tusk Ursula von der Leyen als Kompromisskandidatin vorgeschlagen worden. Der EU-Rat nominiert zwar einen Kandidaten, die Wahl ist aber alleinige Aufgabe des EU-Parlaments und derzeit für den 16. Juli geplant.
EU-Gipfel ignorierte Spitzenkandidaten-Prinzip
Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten mit ihrer Nominierung die Forderung der europäischen Parteienfamilien ignoriert, die vor und nach der Europawahl erklärt hatten, nur einen Kandidaten an die Spitze der Kommission wählen zu wollen, der zuvor als Spitzenkandidat bei der Europawahl angetreten war. Dieses Prinzip hatte das Europaparlament nach der Europawahl 2014 im Fall Juncker erfolgreich durchgesetzt. Es ist aber nicht rechtlich verankert. Die EU-Verträge sehen lediglich vor, dass der Europäische Rat bei seinem Personalvorschlag für das Amt des EU-Kommissionschefs das Ergebnis der Europawahl berücksichtigen muss.