Ursula von der Leyen Charmeoffensive in Straßburg
Der Widerstand im EU-Parlament gegen die Nominierung von der Leyens ist groß. Erstmals warb sie nun in Straßburg um Unterstützung. Zwei Wochen lang wolle sie Gespräche führen und dann ihre Vision von der EU vorstellen.
Einen Tag nach ihrer überraschenden Nominierung zur Präsidentin der EU-Kommission hat Ursula von der Leyen erstmals bei Europaabgeordneten um Unterstützung geworben. Bei einem Besuch in Straßburg sagte die CDU-Politikerin dem Parlament eine enge Zusammenarbeit zu. "Hier im Europäischen Parlament schlägt das Herz der europäischen Demokratie, und deshalb ist es so wichtig, sofort den Dialog aufzunehmen", sagte sie.
Von der Leyen diskutierte in Straßburg mit den Fraktionsmitgliedern der christdemokratischen EVP, deren Vorsitzender Manfred Weber (CSU) sie eingeladen hatte. Außerdem traf sie den neu gewählten Präsidenten des Europaparlaments, den italienischen Sozialdemokraten David-Maria Sassoli.
"Entscheidend, Einigkeit zu zeigen"
Sie fühle sich durch die Nominierung überwältigt, dankbar und geehrt, so die Bundesverteidigungsministerin. In den nächsten zwei Wochen wolle sie einen "intensiven Dialog" mit den Fraktionen und Gruppen im Europaparlament führen. Sie wolle "viel zuhören" und dem Parlament in zwei Wochen ihre Vision von der EU darlegen. Europa müsse "in der Welt hörbar und sichtbar sein". Dies sei eine der wichtigen Aufgaben für die nächsten Jahre.
Angesichts des Streits über ihre Nominierung mahnte sie zu Zusammenhalt. Alle hätten einen schwierigen Wahlkampf hinter sich. "Aber jetzt ist ganz entscheidend, Einigkeit zu zeigen, ganz entscheidend, unsere gemeinsame Leidenschaft für unser Europa, das so wichtig ist in dieser Welt und das hörbar und sichtbar sein muss, auch zu formen."
Widerstand bei Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen
Die nötige Mehrheit im Europaparlament ist der CDU-Politikerin nicht sicher. Zwar hat ihr die eigene Parteienfamilie Europäische Volkspartei Rückhalt zugesagt. Aber bei Vertretern von Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen stößt ihre Nominierung auf massive Kritik. Die Abgeordneten pochen darauf, dass für das Amt der EU-Kommissionspräsidenten nur Bewerber in Frage kommen, die zuvor bei der Europawahl Spitzenkandidat waren. Die Abstimmung des EU-Parlaments über die Ernennung von der Leyens ist für den 16. Juli geplant. Sie braucht die Stimmen von mindestens 376 der 751 Abgeordneten.
Auch in der Großen Koalition in Berlin gab es neuen Krach. Von der Leyen war am Dienstag von den EU-Staats- und Regierungschefs als Kommissionspräsidentin benannt worden. Kanzlerin Angela Merkel musste sich dabei enthalten, weil die SPD den Vorschlag nicht mittrug. Auch hier ist der Hauptkritikpunkt, dass nicht - wie von Christdemokraten und Sozialdemokraten angekündigt - einer ihrer Spitzenkandidaten zur Europawahl Kommissionschef werden soll.
Treffen mit Juncker geplant
Als Kommissionspräsidentin würde von der Leyen nicht nur Chefin von mehr als 30.000 Beamten, sondern gäbe auch politische Linien und Prioritäten für Europa vor. Ihre Behörde macht Gesetzesvorschläge, die vom Parlament und dem Rat der EU-Staaten beraten werden. Am Donnerstag will von der Leyen in Brüssel den amtierenden Kommissionschef Jean-Claude Juncker treffen.
Auch digital hat sich von der Leyen offenbar schon auf die möglicherweise auf sie zukommenden Aufgaben vorbereitet. Heute richtete sie einen Twitter-Account ein. Unter der Adresse @UvdLeyen hat sie bereits mehrere Tausend Follower, darunter auch Weber, der ebenfalls Kommissionschef werden wollte. "Deutsche Verteidigungsministerin & Kandidatin für das Amt des Präsidenten der Europäischen Kommission. Mutter von sieben Kindern, geboren in Brüssel, von Herzen Europäerin", heißt es auf Englisch in der Beschreibung unter ihrem Porträt.