Konservative in Umfragen vorn Griechenland wählt ein neues Parlament
In Umfragen zur Parlamentswahl musste Griechenlands Ministerpräsident Mitsotakis an Stimmen einbüßen, liegt aber vor Ex-Regierungsschef Tsipras. Heute entscheiden die Bürger an den Wahlurnen. Die Regierungsbildung könnte schwierig werden.
Die Parlamentswahl in Griechenland ist in vollem Gange. Seit der Öffnung der Wahllokale um 7.00 Uhr Ortszeit sind rund zehn Millionen Wahlberechtigte aufgerufen, ihre Stimme abzugeben, darunter fast 440.000 Erstwählerinnen und Erstwähler ab 16 Jahren. Die Chefs der beiden aussichtsreichsten Parteien haben bereits Wahlzettel eingeworfen.
Der amtierende Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis sagte nach der Stimmabgabe, heute werde über höhere Löhne und bessere Jobs abgestimmt - zwei seiner zentralen Wahlversprechen. Auch sein Herausforderer, Alexis Tsipras von der linken Oppositionspartei Syriza, nutzte den Auftritt für ein Statement. Der heutige Tag sei eine Gelegenheit, eine "arrogante und unsoziale Regierung abzuwählen", so Tsipras.
Regierungspartei liegt in Umfragen vorn
Zum ersten Mal seit mehr als zehn Jahren entscheiden die Griechinnen und Griechen über einen Regierungschef, der die Wirtschaftspolitik des Lande frei bestimmen kann. Denn während der Schuldenkrise in Griechenland musste das Land strenge Sparauflagen befolgen.
In den Umfragen liegt die konservative Regierungspartei Nea Demokratia mit bis zu sieben Prozentpunkten vor der linken Syriza. Beide Kandidaten versprachen im Wahlkampf, das Vertrauen in den Staat wiederherzustellen. Nach einem schweren Zugunglück mit 57 Toten Ende Februar hatte es massive Proteste gegen die Regierung gegeben. Zudem ist die Regierungspartei in einen Abhörskandal verwickelt, der vergangenes Jahr ins Rollen gekommen war. Mitsotakis beteuerte im Wahlkampf, er lerne aus seinen Fehlern und gelobte Besserung.
Soziale Fragen im Mittelpunkt
Dennoch wurde der Wahlkampf vorrangig von sozialen Fragen und explodierenden Lebenshaltungskosten bestimmt. Griechenland konnte zuletzt durch steuerpolitische Maßnahmen ein Wachstum von 5,9 Prozent im Jahr 2022 verzeichnen und den Tourismus nach der Corona-Pandemie wiederbeleben. Doch die anhaltenden Folgen der in der harten Sparpolitik sind noch immer zu spüren - die Jugend wandert ab, die Gehälter sind niedrig.
Mitsotakis' Partei hat versprochen, den Mindestlohn auf 1000 Euro zu erhöhen. Auch die Arbeitslosigkeit, will er weiter bekämpfen - die Quote sank bereits von 30 Prozent 2013 auf 12 Prozent 2022. Zudem verspricht er, in Gesundheitssystem zu investieren, das durch die Pandemie stark belastet wurde.
Aber noch immer ist die Armut groß, viele Menschen haben nicht genug Geld für Lebensmittel. "Jedes Jahr werden die Dinge schlechter, anstatt besser zu werden", sagte der 54-jährige Athener Dimitris Hondrogiannis. "Alles ist teuer." Er hoffe daher auf eine stabile Regierung, die bei der Senkung der Preise für Lebensmittel helfe. "Die Menschen kommen nicht über die Runden", so Hondrogiannis.
Tsipras war von 2015 bis 2019 Regierungschef - einige der turbulentesten Jahre der Finanzkrise. Sein Umgang mit der Schuldenkrise war umstritten. Tsipras verspricht Wandel und Veränderung. "Schluss mit Profiten, Ungleichheit, Vetternwirtschaft, Gleichgültigkeit, Arroganz, Ungerechtigkeit", sagte er in der vergangenen Woche bei einer Wahlkampfveranstaltung in Larisa. Er wirft Mitsotakis vor, Milliarden Euro an politische Verbündete und seine Familie verschwendet zu haben.
Eventuell schon bald Neuwahlen
Mit den ersten Hochrechnungen wird um 20 Uhr gerechnet. Aufgrund der tiefen Spaltung zwischen den beiden großen Parteien und den vier kleineren Parteien, die voraussichtlich ins Parlament einziehen werden, dürfte aber eine Regierungsbildung schwierig werden.
Der heutige Wahlsieger hat drei Tage Zeit, um eine Koalition mit einer oder mehreren anderen Parteien auszuhandeln. Gelingt dies nicht, dürfte es am 2. Juli zu Neuwahlen kommen. Danach wäre die Regierungsbildung einfacher, weil der siegreichen Partei ein Bonus von bis zu 50 Sitzen im Parlament gewährt wird - davon könnte Mitsotakis profitieren.
Mit Informationen von Jörg Seisselberg und Anja Miller.