Nach Terroranschlag bei Moskau Russland prüft Verwicklung des Westens
Russland prüft nach dem Terroranschlag weiter eine Verwicklung des Westens. Großbritannien bezeichnete Moskaus Behauptungen als "Unsinn". Die Ukraine wirft Moskau eine bewusste Ablenkung vor.
Nach dem Anschlag auf die Konzerthalle bei Moskau prüft Russland weiter eine mögliche Verwicklung des Westens. Man untersuche eine mögliche "Organisation, Finanzierung und Durchführung von Terroranschlägen" seitens der USA und anderer westlicher Länder, teilte die zuständige Ermittlungsbehörde mit.
Bereits am Sonntag wurden vier Männer dem Moskauer Bezirksgericht vorgeführt. Sie wurden wegen der Begehung eines terroristischen Anschlags mit Todesfolge angeklagt. Ein Ableger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) reklamierte das Attentat für sich. Auch russische Politiker sprechen von islamistischen Terroristen. Sie unterstellen aber, diese könnten im Auftrag der Ukraine oder deren westlicher Unterstützer gehandelt haben. Beweise legen sie dafür nicht vor.
Am Dienstag hatte der Direktor des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB, Alexander Bortnikow, erklärt, Geheimdienste westlicher Staaten sowie der Ukraine hätten den Anschlag gebraucht, um Panik in Russland auszulösen: "Die USA, Großbritannien und die Ukraine stecken hinter dem Anschlag auf die Moskauer Konzerthalle."
Die Behörden ermitteln wegen Terrorismus und haben bislang elf Personen festgenommen, darunter die vier mutmaßlichen Schützen. Sie stammen den gefundenen Pässen nach aus der zentralasiatischen Republik Tadschikistan. Das ungehinderte Eindringen der Bewaffneten in das mit Tausenden Besuchern besetzte Veranstaltungszentrum gilt als schweres Versagen der russischen Sicherheitskräfte.
Großbritannien nennt Theorie "völligen Unsinn"
Viele Staaten reagierten mit Entsetzen nach dem Anschlag auf die Crocus City Hall mit inzwischen 140 gemeldeten Toten.
Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, sagte dazu, Russland sei dankbar für die Worte der Unterstützung und des Mitgefühls, die es aus der ganzen Welt erhalten habe. Gleichwohl sagte Sacharowa, es sei "extrem schwer zu glauben", dass der "Islamische Staat" die Kapazität habe, den Anschlag auf die Konzerthalle auszuführen.
Die Regierungen in Paris und Washington erklärten, sie hätten Geheimdienstinformationen, wonach der IS tatsächlich hinter dem Attentat steckt. Als "völligen Unsinn" bezeichnete der britische Außenminister David Cameron auf dem Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter) die Behauptungen Russlands über den Westen und die Ukraine im Zusammenhang mit dem Anschlag auf die Crocus City Hall.
Ukraine hält Russlands Anschuldigungen für Ablenkung
Auch Kiew weist jegliche Verbindungen deutlich zurück. "Russland versucht, die Ukraine des Terrorismus zu beschuldigen, (...) um die Welt von seinem täglichen Terror gegen die Ukraine abzulenken", sagte der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev dem Deutschlandfunk.
Laut Russlands Präsident Putin hätten die mutmaßlichen Täter versucht, in die Ukraine zu flüchten. Makeiev bezeichnete das als "absurd" und setzt seine Hoffnungen in den Westen, dass diese "dem russischen Regime keinen Glauben mehr schenken".
Vatikan zeigt sich besorgt
Die gegenseitigen Schuldzuweisungen erfolgen unter dem Eindruck des russischen Angriffskrieges, der von mehr als zwei Jahren begonnen hat. Aus dem Vatikan gibt es Befürchtungen vor einer nächsten Eskalation: "Ein Land, das ein solches Trauma erleidet, kann auch sehr stark reagieren", sagte der Außenbeauftragte des Vatikans, Erzbischof Paul Richard Gallagher in der italienischen Nachrichtensendung TG1 und zog einen Vergleich mit Israel.
Der Anschlag nahe Moskau sei eine "schreckliche Sache", die zum Nachdenken führen müsse. An ihm sehe man, dass es Elemente in der Gesellschaft gebe, die zerstören und Menschen leiden lassen wollten. Zudem betonte er, dass man alle tun müsse, eine Niederlage der der Ukraine zu vermeiden.
Erstes Land rät Bürgern von Reise nach Russland ab
Seit dem Anschlag vom Freitag hat sich die ausländerfeindliche Stimmung in Russland verstärkt, vor allem gegenüber Arbeitern aus den überwiegend muslimischen Ländern in Zentralasien wie Kirgistan.
Daher rät das an Tadschikistan grenzende Land Kirgistan seinen Bürgern von nicht unbedingt notwendigen Reisen nach Russland ab. Das Außenministerium der Ex-Sowjetrepublik empfahl, Russland nur zu besuchen, wenn dies nötig sei und dann sicherzustellen, jederzeit alle erforderlichen Dokumente bei sich zu haben.
In Russland arbeiten derzeit Hunderttausende Menschen aus Tadschikistan, Usbekistan und Kirgistan. Einige haben bereits erklärt, dass es für sie schwieriger geworden sei, ihrer Arbeit in Russland nachzugehen. Eine Rolle dürfte dabei die Verhaftung eines in Kirgistan geborenen Mannes sein: Er wird von einem russischen Gericht beschuldigt, den vier mutmaßlichen Tätern Unterschlupf gewährt zu haben.
Zahl der Toten auf 140 gestiegen
Bei dem Anschlag bei Moskau hatten vier Bewaffnete am Freitag während eines Konzerts in der Crocus City Hall um sich geschossen. Anschließend brach ein Großfeuer aus. Mindestens 140 Menschen wurden getötet, insgesamt 360 verletzt, 155 mussten in Krankenhäusern behandelt werden.
Ein Verletzter sei in einem Krankenhaus gestorben, teilte die Gesundheitsbehörde des Gebietes Moskau mit. "Die Ärzte haben alles Mögliche getan", sagte Behördenleiter Michail Muraschko der russischen Nachrichtenagentur Tass zufolge. Demnach liegen weitere 80 Opfer in Kliniken, unter ihnen sechs Kinder. Bei vier Patienten sei der Zustand weiter sehr kritisch, sagte Muraschko.