Internationaler Strafgerichtshof USA und Ukraine begrüßen Haftbefehl gegen Putin
US-Präsident Biden bezeichnete den Haftbefehl gegen Russlands Präsident Putin als gerechtfertigt. Der ukrainische Präsident Selenskyj nannte die Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs "historisch".
Die US-Regierung begrüßt den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichts (IStGH) gegen den russischen Staatschef Wladimir Putin. Präsident Joe Biden bezeichnete den Schritt als gerechtfertigt. Das Gericht bringe "ein sehr starkes Argument an", sagte Biden nach Angaben von Reportern. Putin habe eindeutig Kriegsverbrechen begangen.
Allerdings sei der Internationale Strafgerichtshof nicht weltweit anerkannt, "auch nicht von uns", fügte Biden hinzu. Neben Russland erkennen die USA und China den Gerichtshof nicht an. Als Grund dafür führen Juristen oft an, dass diese Staaten ihre politischen Verantwortlichen und Soldaten vor dem Zugriff der Justiz schützen wollen. Insgesamt haben mehr als 120 Staaten das Römische Statut ratifiziert.
Die US-Regierung betont zwar, sie unterstütze internationale Ermittlungen zu russischen Kriegsverbrechen. Nach einem Bericht der "New York Times" gibt es jedoch Unstimmigkeiten zwischen den Ressorts: Außen- und Justizministerium sind demnach für umfangreiche Kooperationen mit den Ermittlern des IStGH, das Verteidigungsministerium will dagegen aus prinzipiellen Gründen keine Geheimdienstinformationen über russische Vergehen weitergeben.
Zusammenarbeit mit dem Strafgerichtshof
Der Haftbefehl des Gerichts im niederländischen Den Haag war wegen Verschleppung von Kindern aus besetzten Gebieten in der Ukraine nach Russland ergangen. Russlands Staatschef sei mutmaßlich für die rechtswidrige Deportation von Kindern und Umsiedlungen aus besetzen Gebieten der Ukraine in die Russische Föderation persönlich verantwortlich, hatte der IStGH zu seiner Entscheidung mitgeteilt. Auch gegen die Kinderrechtskommissarin in Putins Präsidialverwaltung, Maria Lwowa-Belowa, wurde Haftbefehl erlassen.
"Das bedeutet, dass sie jetzt auf dem Gebiet der Länder festgenommen werden können, die das Römische Statut unterzeichnet haben", erläuterte der Chef des Präsidentenbüros in Kiew, Andrij Jermak, am Abend im Nachrichtenkanal Telegram.
Auch die Ukraine hat das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs nicht ratifiziert. Trotzdem erkennt das Land die Zuständigkeit der Richter für begangene Kriegsverbrechen auf ihrem Staatsgebiet seit 2014 an. Jermak betonte, dass Kiew systematisch mit dem Gerichtshof zusammenarbeite.
Der Staatsanwalt am Strafgerichtshof, Karim Khan, hatte vor einem Jahr Ermittlungen wegen möglicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingeleitet. Khan war drei Mal persönlich in der Ukraine, unter anderem in der Region Kiew, wo es in Butscha ein Massaker gab.
Internationaler Strafgerichtshof: Haftbefehl gegen Putin wegen der Verschleppung ukrainischer Kinder
Scholz begrüßt internationalen Haftbefehl
Auch Bundeskanzler Olaf Scholz begrüßte den Haftbefehl. "Der Internationale Strafgerichtshof ist die richtige Institution, um Kriegsverbrechen zu untersuchen", sagte er bei einem Besuch in Tokio. Niemand stehe über dem Gesetz. Die Bundesregierung habe immer dafür gesorgt, dass der IStGH die gebührende Bedeutung bekomme.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj lobte den Haftbefehl als eine "historische Entscheidung" des Internationalen Strafgerichtshofs. "Der Anführer eines Terrorstaates und eine weitere russische Amtsträgerin sind offiziell Verdächtige in einem Kriegsverbrechen", sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videobotschaft.
Mindestens 16.000 Fälle registriert
Tausende ukrainische Kindern seien illegal deportiert worden, sagte Selenskyj. Die ukrainischen Behörden hätten mindestens 16.000 Fälle registriert. "Aber die wahre gesamte Zahl der Deportierten könnte viel höher sein." Rund 300 Kinder seien bisher zurückgebracht worden in die Ukraine.
"Die Trennung der Kinder von ihren Familien, ihnen jede Möglichkeit des Kontakts mit ihren Angehörigen zu nehmen, sie auf russischem Gebiet zu verstecken, in entfernten Regionen zu verteilen - all das ist offensichtlich russische Staatspolitik, es sind staatliche Entscheidungen, es ist das staatliche Böse", so Selenskyj. Verantwortlich sei der erste Mann im Staat, sagte der ukrainsiche Präsident - ohne Putin beim Namen zu nennen.
Der ukrainische Generalstaatsanwalt Andrij Kostin lobte die Entscheidung als Signal für die Welt, dass das "russische Regime" verbrecherisch sei. "Die Führer der Welt werden jetzt dreimal überlegen, bevor sie ihm die Hand geben oder sich mit ihm an den Verhandlungstisch setzen", teilte er mit.
Kreml bezeichnet Haftbefehl als nichtig
Der Kreml bezeichnete den Haftbefehl als rechtlich nichtig. Außenamtssprecherin Maria Sacharowa sagte, Moskau werde "nicht mit dem Gericht kooperieren". "Allein die Formulierung der Frage halten wir für unverschämt und inakzeptabel", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass. "Russland erkennt die Rechtsprechung dieses Gerichts nicht an. Entsprechend sind Entscheidungen dieser Art für Russland vom rechtlichen Standpunkt unbedeutend."
Putins Reisemöglichkeiten eingeschränkt?
Peskow wollte sich nach Angaben der russischen Agenturen nicht dazu äußern, ob eine drohende Verhaftung des Kremlchefs in Ländern, die das Gericht anerkennen, sich auf die Reisepläne Putins auswirken könnte.
Unabhängige russische Medien kommentierten hingegen, dass durch den Haftbefehl Putins Reisemöglichkeiten eingeschränkt werden könnten. Unter den Ländern, die das Statut ratifiziert haben, befinden sich auch Verbündete Russlands.
UN wollen weiter mit Putin sprechen
Die Vereinten Nationen vermieden eine direkte Reaktion bislang. Ein Sprecher sagte lediglich, dass Putin für UN-Chef António Guterres wegen der Entscheidung keine Persona non grata sei. "Der Generalsekretär wird immer mit jedem sprechen, mit dem es nötig ist zu sprechen."
Allerdings ist fraglich, ob der russische Präsident zu möglichen Friedensgesprächen unter UN-Führung zum Beispiel nach Genf fliegen könnte, denn die Schweiz gehört dem Weltstrafgericht an.
Mit Informationen von Ralf Borchard, ARD-Studio Washington