Prozess um den Fall Pélicot "Ich bin ein Vergewaltiger"
Über Jahre hat Dominique Pélicot seine Frau vergewaltigt oder vergewaltigen lassen. Vor Gericht äußern sich die Angeklagten - und ringen um Ausflüchte, die fassungslos machen.
Er sitzt völlig entspannt in seiner Glasbox. Dominique Pélicot wirkt geradezu stolz, wie ordentlich er die Videos und Fotos sortiert hat. Wenn er gefragt wird, nimmt er den Ton eines Experten an, der die Aussagen seiner Mitangeklagten geraderückt. "Nein, er wusste genau, worauf er sich einlässt", widerspricht er. Oder: "Nein, Alkohol war nicht im Spiel."
Ungerührt erzählt Pélicot, wie er seiner betäubten Frau eine Zucchini eingeführt hat - weil es Anfragen nach entsprechenden Fotos auf einer Internetplattform gegeben habe. Und es gab die Männer, die vorbeikamen, mit Präservativ. "Das war die Bestellung", sagt Pélicot. Als würde er über eine Amazon-Bestellung sprechen.
Dominique Pélicot gesteht alle Taten
Obwohl genau bekannt ist, was er getan hat, wirkt Pélicot wie der nette Opa. Er gesteht alle seine Taten. Viele Anfragen habe er auch abgelehnt, eine Gruppenvergewaltigung seiner Frau durch Männer zum Beispiel. Als wäre so eine Ablehnung eine Heldentat.
Pélicot wirkt manipulativ. "Ich will nicht, dass die Videos gezeigt werden", sagt er. Sie zu sehen, tue ihm weh - " und meiner Frau auch". Als wolle er sie vor irgendetwas schützen. Er, der seine Frau betäubt und massenhaft vergewaltigt hat und sie hat vergewaltigen lassen.
Seine Lässigkeit wird nur ab und zu unterbrochen, wenn seine Mitangeklagten aussagen. Dann reibt er sich manchmal die Augen. Es wirkt teils so, als ob Pélicot die anderen Angeklagten oder ihre Aussagen für dumm hält.
"Monsieur Pélicot hat ja sein Einverständnis gegeben"
Die Mitangeklagten sitzen, je nach Schwere ihrer Tat, in einer anderen Glasbox oder ohne Abschirmung im Gerichtssaal. Mit dabei ist auch Pélicots "bester Komplize", wie der Hauptangeklagte ihn selbst bezeichnet.
Sechs Mal war dieser Angeklagte bei Pélicot. Er sagt, dass er genau gewusst habe, dass Gisèle Pélicot betäubt gewesen sei. Dass er sich angeblich nach dem dritten Mal Fragen gestellt habe. Trotzdem kam er noch mehrmals zu Vergewaltigungen. Bei solchen Ausreden wird selbst der vorsitzende Richter etwas lauter. Als Fragen nach dem Einverständnis von Gisèle Pélicot zu sexuellen Handlungen kommen, sagt der "beste Komplize", dass ja Monsieur Pélicot das Einverständnis gegeben habe.
Immerhin gibt der "Komplize" zu, dass Gisèle Pélicot sich nie hätte zu den Taten äußern können - so betäubt wie sie gewesen sei. "Es war ein Geschenk von Herrn Pélicot", räumt er ein. Und dann dankt er der Familie und Frau Pélicot, dass sie das hier alles mitmache. Es wirkt geradezu surreal.
Angeklagte wollen aus Angst gehandelt haben
Zu den Mitangeklagten zählen Familienväter, zerrüttete Biografien und Menschen, die intellektuell und emotional völlig in der Lage sind, zu verstehen, was da passierte - und auch Menschen, die in sozialen Belangen Schwierigkeiten haben, ebenso wie Männer mit psychischen Störungen.
Ein Angeklagter behauptet bei seiner Aussage felsenfest, keine Penetration begangen zu haben, was im französischen Strafrecht das entscheidende Kriterium für Vergewaltigung ist. Die vor Gericht abgespielten Videos zeigen das komplette Gegenteil. Der Beschuldigte sagt, nicht darauf geachtet zu haben, ob Gisèle Pélicot bei Bewusstsein ist. Als der Richter fragt, ob er sich nicht gewundert habe, dass es keine Reaktionen gab, als er die Frau im Intimbereich berührt habe und der Angeklagte verneint, schüttelt Gisèle Pélicot fassungslos den Kopf.
Der Angeklagte behauptet, von Dominique Pélicot manipuliert worden zu sein, Angst gehabt zu haben. Auf den Videos sieht das anders aus. Da hält er den Daumen hoch, während er sich an der bewusstlosen Gisèle Pélicot vergeht. Er habe sie doch auch gestreichelt, ist mehrmals sein Argument, dass er kein Vergewaltiger sei. Ein Vergewaltiger streichle ja nicht.
Alles ist minutiös dokumentiert
Sonst finden Verhandlungen um Vergewaltigungsvorwürfe meist unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, was es so schwer macht, über sie zu urteilen. Hier ist alles minutiös dokumentiert. Fotos und Videos zeigen eine völlig leblose Frau. Es wird sehr schnell klar, dass sie nicht nur schläft - und drumherum alles getan wird, damit sie bloß nicht aufwacht. "Doucement", ist Dominique Pélicot auf den Aufnahmen mehrfach zu hören - "ruhig, sanft". Es wirkt geradezu absurd: Es ist ganz still, um Gisèle Pélicot nicht aufzuwecken - und sie liegt einfach da und kann sich nicht wehren gegen die Dinge, die mit ihr passieren.
Viele Entschuldigungen - aber nicht für die Vergewaltigungen
Ein anderer Angeklagter weint. Er habe niemals realisiert, dass sie unter Drogen stand. Dass er sie ja nicht vergewaltigt habe, weil er nichts davon gewusst habe. Auch das rückt Monsieur Pélicot gerade: "Ich bin ein Vergewaltiger. Monsieur C. muss anerkennen, dass er auch einer ist."
Er habe Angst vor Dominique Pélicot gehabt, dieser sei verärgert gewesen, sagt der Angeklagte. Er entschuldigt sich. Aber nicht für die Vergewaltigung, sondern für das Schlimme, was er grundsätzlich getan habe.
Der Anwalt von Gisèle Pélicot macht deutlich, wie wütend seine Mandantin ist, dass sich die meisten Angeklagten entschuldigen, aber nicht für die Vergewaltigungen. Sie selbst sagt nichts. Sie verfolgt die Aussagen und psychologischen Gutachten. Bei den Videos jedoch schaut sie nach unten.