
Verteidigungspolitik in Polen Tusk erwägt Ausstieg aus Landminen-Verbot
Polens Regierungschef Tusk schlägt vor, Landminen und Streumunition wieder zuzulassen. Das sei zwar nicht schön, aber notwendig, um Polens Verteidigung zu stärken. Zudem soll jeder erwachsene Mann für den Kriegsfall ausgebildet werden.
Donald Tusk steht am Podium im Sejm, dem polnischen Parlament. Der Saal ist voll. Der polnische Ministerpräsident spricht über Sicherheit und Verteidigung. Die Rede ist lang angekündigt, die Erwartungen halten sich in Grenzen. Und tatsächlich sagt Tusk lange vor allem Bekanntes. Europa müsse sich um die eigene Sicherheit kümmern und zugleich gute Beziehungen zu den USA wahren. Die NATO-Staaten müssten mehr in ihre Verteidigungsfähigkeit investieren: nicht zwei oder drei, sondern fünf Prozent der Wirtschaftsleistung.
Aber was Tusk dann sagt, ist selbst für regelmäßige Zuhörer überraschend: "Ich habe den Verteidigungsminister beauftragt zu prüfen - und ich werde eine positive Beurteilung empfehlen - dass sich Polen aus der Ottawa-Konvention und möglicherweise aus der Dublin-Konvention zurückzieht", so Tusk. "Ich spreche von Antipersonenminen und Streuwaffen."
Polen bereitet sich auf einen russischen Angriff vor
Ottawa und Dublin, das sind zwei Abkommen, die Waffensysteme verbieten, die gezielt auf die Verletzung und Tötung von Menschen ausgerichtet sind. Diese treffen - weil sie oft als Blindgänger im Boden verbleiben - ganz besonders die Zivilbevölkerung: Selbst, wenn die eigentlichen Kampfhandlungen schon lange beendet sind. Polen könnte diesen Konsens, sich selbst im Krieg an ein paar Minimalregeln zum Schutz von Zivilisten zu halten, jetzt verlassen.
"Wir müssen uns nichts vormachen", so Tusk. "Das ist nicht schön, auch nicht angenehm, das wissen wir. Das Problem ist, dass in unserer Nachbarschaft diejenigen, vor denen wir uns fürchten müssen, die, die am Krieg teilnehmen, darüber verfügen."
Polen bereitet sich auf einen russischen Angriff vor. Die Ostgrenze wird seit Monaten militärisch befestigt, mit Panzersperren, Bunkern und einem Streifen, der für Landminen vorgesehen ist. Die sollen erst im Ernstfall ausgelegt werden, heißt es. Aber schon um die Minen zu beschaffen, müsste Polen das Ottawa-Abkommen verlassen.
Größte Streitkraft Europas noch weiter aufstocken?
Tusk geht noch weiter. 300.000 Soldaten waren bisher die polnische Zielmarke. Schon damit würde das Land über die größte Streitkraft Europas verfügen. Nun spricht Tusk von einer halben Million Soldaten - die Reserve eingerechnet. "Wir streben an, bis Ende des Jahres einen fertigen Plan zu haben, sodass jeder erwachsene Mann in Polen für den Fall des Krieges ausgebildet ist."
Eine Wiedereinführung der 2009 abgeschafften Wehrpflicht sei das aber nicht. Eher der Anreiz, an den schon heute vielfältigen freiwilligen Militär-Trainings teilzunehmen. Details nennt Tusk nicht und ruft stattdessen erneut zu europäischem Selbstbewusstsein auf.
500 Millionen Europäer würden 300 Millionen US-Amerikaner anflehen, sie vor 140 Millionen Russen zu schützen, die seit drei Jahren nicht imstande sind, 40 Millionen Ukrainer zu besiegen, sagt Tusk. Kein Grund zur Panik, soll das heißen. Und zugleich: Volle Kraft voraus.