Papst Franziskus war ein Brückenbauer und wird vielen Menschen fehlen
analyse

Nach Franziskus Was sich mit dem Tod des Papstes ändern wird

Stand: 22.04.2025 04:43 Uhr

Mehr als zwölf Jahre stand Franziskus an der Spitze der katholischen Kirche. Als Stimme in der Welt hat er immer wieder die Blicke auf diejenigen gelenkt, die an den Rändern der Gesellschaft stehen. Wo hinterlässt Papst Franziskus eine Lücke?

Es ist eine Szene kurz vor seinem Tod: Papst Franziskus sitzt in einem Rollstuhl und winkt sichtlich angestrengt mehreren Menschen zu, die hinter einer vergitterten Scheibe stehen. Es sind Häftlinge des Gefängnisses "Regina Coeli" in Rom. Sie sehen begeistert Franziskus an, einer wirft dem Papst eine Kusshand zu. Es ist Gründonnerstag.

Trotz seiner Schwäche, trotz seiner angeschlagenen Gesundheit lässt es sich der 88-Jährige nicht nehmen, zu denjenigen zu gehen, die am Rand der Gesellschaft stehen, die Außenseiter sind. In den Jahren zuvor hatte Franziskus Häftlingen stets die Füße gewaschen, der Ritus erinnert an das letzte Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern. Die Fußwaschung war ihm in diesem Jahr nicht mehr möglich, aber dennoch war er dort, im Gefängnis. 

Der Papst besuchte am Gründonnerstag noch das Gefängnis "Regina Coeli" in Rom - auf die traditionelle Fußwaschung musste er aus gesundheitlichen Gründen verzichten.

Der Papst besuchte noch das Gefängnis "Regina Coeli" in Rom - auf die traditionelle Fußwaschung musste er aus gesundheitlichen Gründen verzichten.

Die Stimme für die Ausgegrenzten

Mit Gesten wie diesen hat Papst Franziskus während seines Pontifikats für Aufmerksamkeit gesorgt, er war eine gewichtige Stimme. Häftlinge, Migranten, Arme - sie alle konnten auf ihn zählen, er war ihr wichtigster Fürsprecher.

Bereits bei seiner ersten Reise 2013 auf die italienische Flüchtlingsinsel Lampedusa machte der Papst "vom anderen Ende der Welt" dies klar. Einen Blumenkranz warf er damals ins Mittelmeer, in Erinnerung an all diejenigen, die auf ihrer Überfahrt nach Europa im Meer sterben. Die Gleichgültigkeit der Welt gegenüber dem Leid der Migranten verurteilte er aufs Schärfste und ließ daran nicht los, all die Jahre bis zu seinem Tod.  

 

Obdachlose beim gemeinsamen Frühstück mit Papst Franziskus.

Obdachlose beim gemeinsamen Frühstück mit Papst Franziskus.

Die Stimme für den Dialog der Religionen

Vor allem bei seinen Auslandsreisen spielte der Austausch mit Vertretern anderer Religionen eine große Rolle. Demonstrativ lud der Papst immer wieder zum interreligiösen Gebet ein. Mit der Erklärung von Abu Dhabi schrieb er mit Ahmad Al-Tayyeb, dem Großimam der Kairoer Al-Azhar-Universität Geschichte.

2019 unterschrieben die beiden das "Dokument über die Brüderlichkeit aller Menschen", es war eine gemeinsame programmatische Schrift. Darin treten das Oberhaupt der katholischen Kirche und Al-Tayyeb, eine der wichtigsten Stimmen des sunnitischen Islams, für Religionsfreiheit ein, für Nachhaltigkeit, für den Wunsch nach Frieden. Gleichzeitig verurteilen sie Gewalt und Terror.

Fünf Jahre später hat Franziskus im indonesischen Jakarta eine ähnliche Erklärung als Ergänzung unterschrieben, mit Nasaruddin Umar, dem Großimam der größten Moschee Asiens. Der Papst sah alle Religionen in der Pflicht, sich für Frieden einzusetzen, gegen Extremismus, gegen Entmenschlichung. "Den Einklang der Religionen", so der Titel der Erklärung, müsse man "zum Wohl der Menschheit" stärken. Trotzdem stieß Franziskus auch auf Ablehnung.

Der Patriarch der russisch-orthodoxen Kirche, Kyrill I. ließ ihn im Bezug auf den Ukraine-Krieg auflaufen. Der Papst konnte den Moskauer Patriarchen nicht davon abbringen, den russischen Angriffskrieg als gerechtfertigt anzusehen. Dennoch wird mit Franziskus eine wichtige Stimme für den Dialog der Religionen fehlen, eine Stimme als Brückenbauer. 

Die Stimme für die Schöpfung

Mit seiner Enzyklika "Laudato si" von 2015 sorgte der Argentinier für weltweites Aufsehen:  Eindringlich ruft er darin zu einer radikalen Umkehr auf, jeder einzelne müsse umweltbewusst und nachhaltig leben. Konkret nennt er den Schutz der Umwelt, die Bekämpfung der Armut und den Einsatz für Menschenwürde.

All dies gehöre zusammen, der Einsatz für die Ökologie bedeutete in den Augen von Franziskus immer auch ein sozialer Ansatz. Denn die Umweltkrise treffe die Ärmsten am meisten, sie würden unter den verheerenden Folgen des Klimawandels am heftigsten leiden.  

Die Enzyklika "Laudato Si" von Papst Franziskus

Die Enzyklika "Laudato Si" von Papst Franziskus

Die Stimme für die Frauen

Seine eigene Kirche hat Papst Franziskus seit 2021 auf einen weltweiten Reformprozess geschickt, unter dem Begriff "Weltsynode" wurden die Anliegen der Gläubigen weltweit auf allen Kontinenten gesammelt, analysiert und dann bei zwei Bischofssynoden in Rom diskutiert. Zum Auftakt 2023 schlug der Argentinier einen völlig neuen Weg ein: Erstmals hatten Laien und Frauen ein Stimmrecht bei der Bischofssynode.

Reformorientierte sahen darin zwar einen guten Willen zur Veränderung, vermissten aber eine wahre Reform der Lehre, da Franziskus die Weihe von Frauen nach wie vor ablehnte. Doch innerhalb der Kurie, also der Verwaltung und der Leitung der Kirche, besetzte der Papst nach und nach Leitungspositionen mit Frauen. Mit welcher Geschwindigkeit dieser Weg fortgesetzt wird, dürfte nun entscheidend vom nächsten Papst und von den Frauen selbst abhängen. Ein Zurück zu vorher können sich allerdings die wenigsten vorstellen. 

Die Stimme für alle

 "Todos, todos, todos" - dies rief Papst Franziskus 2023 beim Weltjugendtag in Lissabon den Gläubigen zu. Das Wort bedeutet "alle", auf Spanisch und auf Portugiesisch. Alle, so meinte er damals, alle seien in der Kirche willkommen: Egal, woher sie kommen, wer sie seien, wie sie liebten. Dies umreißt, was er von Beginn seines Pontifikats an predigte: Auch Geschiedene seien willkommen, auch Homosexuelle, auch Transgender.

Im Dezember 2023 veröffentlichte das Dikasterium für die Glaubenslehre ein Schreiben, in dem die Segnung von homosexuellen Paaren grundsätzlich erlaubt wurde. Während die Reaktion in Deutschland meist positiv war, hagelte es aus vielen anderen Ländern heftige Kritik, einzelne Bischofskonferenzen wie etwa in Afrika kündigten gar an, dass sie den Erlass nicht umsetzen würden. 

Polarisierung als größte Herausforderung

Das umstrittene Papier "Fiducia supplicans" zur Segnung von homosexuellen Paaren führte klar vor Augen, dass auch Papst Franziskus die Polarisierung innerhalb der Kirche nicht überwinden konnte. Während in der einen Kultur etwas als längst überfällig gilt, wird es in einer anderen Kultur strikt abgelehnt. Nicht nur, aber auch daran kommt ein Papst nicht vorbei. Sein oberstes Ziel ist die Wahrung der Einheit, dies hatte auch Franziskus vor Augen.

Bei der letzten Bischofssynode im Oktober 2024 in Rom wurde deutlich, dass künftig die einzelnen Bischofskonferenzen mehr Gewicht bekommen könnten. Die grobe Linie wird einheitlich vorgegeben, die Umsetzung erfolgt aber in den Ortskirchen, mitunter auch höchst unterschiedlich.

Doch wie das zukünftig konkret aussehen soll, ist nicht geklärt. Die Tür dazu hat Franziskus weit geöffnet, die nötigen Strukturen aber ließ er nicht schaffen. Auf den nächsten Papst wartet viel Arbeit. 

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk Kultur am 22. April 2025 um 07:08 Uhr.