Erster Besuch seit Kriegsbeginn Orban will in Kiew über den Frieden sprechen
Ungarns Ministerpräsident Orban gilt in der EU als kremlfreundlichster Regierungschef. So hat er lange Zeit Hilfen für die Ukraine blockiert. Nun ist Orban nach Kiew gereist, um mit Präsident Selenskyj über den Frieden zu sprechen.
Der ungarische Regierungschef Viktor Orban ist erstmals seit Kriegsbeginn in die von Russland angegriffene Ukraine gereist. Medienberichten zufolge fuhr der Konvoi Orbans zunächst in die ungarische Botschaft.
Er wolle Schritte für einen Frieden unternehmen, hatte Orban in einem Interview kurz vor seiner Reise nach Kiew angekündigt. "Viktor Orban ist heute Morgen in Kiew eingetroffen, um mit Präsident Wolodymyr Selenskyj über den europäischen Frieden zu sprechen", schrieb der ungarische Regierungssprecher Zoltan Kovacs auf der Plattform X. Thema der Gespräche seien auch die Beziehungen beider Länder zueinander.
Erneut machte sich Orban in Kiew für eine Feuerpause stark. Diese könne Friedensgespräche mit Russland beschleunigen. Er schätze zwar die Friedensinitiative von Präsident Selenskyj, sie werde aber viel Zeit in Anspruch nehmen. Daher solle Selenskyj über eine Feuerpause nachdenken, um dann Verhandlungen zu beginnen. Eine Position, die von vielen Experten als unrealistisch eingeschätzt wird.
Angespannte Beziehung zwischen Kiew und Budapest
Orban zählt innerhalb der EU und der NATO zu den größten Kritikern der Finanz- und Militärhilfen für die Ukraine. Aus ukrainischer Sicht dürfte der Besuch deshalb kein leichter werden. Die Beziehungen zwischen Kiew und Budapest sind angespannt.
In der Vergangenheit hatte Orban Hilfen für die von Russland angegriffene Ukraine verzögert und mehrfach versucht, Sanktionen gegen Moskau zu verhindern. Zudem kritisierte er die Eröffnung der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine. Orban pflegt enge Verbindungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Bei früheren Aufeinandertreffen - wie jüngst vor dem EU-Gipfel - wurden Orban und Selenskyj immer wieder bei offenbar emotionalen Diskussionen gesehen.
Rechte der ungarischen Minderheit in Ukraine
Ein weiterer Streitpunkt sind die Rechte der ungarischen Minderheit in der Ukraine, als deren Schutzpatron sich Orban seit Jahren inszeniert. Bei einem Fußballspiel provozierte der 61-Jährige zudem mit einem Schal, auf dem die Umrisse von Großungarn aus dem Jahr 1920 zu sehen waren. Zu der Zeit gehörte unter anderem das heute in der Ukraine liegende Transkarpatien zu Ungarn.
Außerdem ist Ungarn weiterhin stark von russischen Gaslieferungen abhängig, die trotz des Kriegs teilweise durch die Ukraine fließen. Allerdings will Kiew den zum Jahresende auslaufenden Vertrag nicht verlängern.
In der Ukraine war Orban das letzte Mal vor gut zehn Jahren. Damals war noch Selenskyjs Vorgänger Petro Poroschenko im Amt.
Treffen wurde monatelang vorbereitet
Das Treffen zwischen Orban und Selenskyj wurde nach Angaben aus ukrainischen Regierungskreisen seit Monaten vorbereitet. Andere EU-Staats- und Regierungschefs sowie Vertreter weiterer westlicher Verbündeter der Ukraine reisen regelmäßig zu Solidaritätsbesuchen nach Kiew.
Ungarn hat gerade für ein halbes Jahr die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Ungarische Vertreter haben angedeutet, dass sie in dieser Rolle als "ehrliche Makler" auftreten wollten. Einige EU-Abgeordnete äußerten allerdings mit Blick auf die Lage der Demokratie in Ungarn Zweifel daran, ob das Land in der Lage ist, die EU zu führen.
Mit Informationen von Rebecca Barth, ARD-Studio Kiew