Kampf gegen Luftverschmutzung Londoner Umweltzone wird zum Wahlkampfthema
Londons Bürgermeister Sadiq Khan hat die Umweltzone ausgeweitet. Mehr Autofahrer müssen nun zahlen. Er löst damit einen politischen Streit aus, der über die britische Hauptstadt hinausgeht.
Sie stehen mit Plakaten an viel befahrenen Hauptstraßen in den Außenbezirken von London und fordern zum Hupen auf, wenn man ihre Forderungen unterstützt. Sie sind gegen die Ausweitung der Umweltzone ULEZ, der "Ultra-Low-Emission-Zone". Und sie wollen den Londoner Bürgermeister Sadiq Khan stürzen.
Es bleibt nicht bei Protesten: In den vergangenen Monaten wurden fast 300 der 2.750 neu aufgestellten ULEZ-Überwachungskameras beschädigt oder gestohlen. Da werde schließlich eine Art Krieg gegen Autofahrer geführt, behaupten die Aktivisten.
Pendler kritisieren hohe Kosten
2015 war es der damalige Londoner Bürgermeister Boris Johnson von den Konservativen, der die Umweltzone plante. Sein Labour-Nachfolger Khan führte die Maut 2019 ein. Knapp 15 Euro zahlt man täglich in der Londoner Innenstadt - wenn ein Auto zu alt ist. Betroffen sind nur rund zehn bis 15 Prozent aller Autos: Benziner, die vor 2006 zugelassen wurden, und Diesel-Autos von vor 2016.
Die jetzige Ausweitung auf den gesamten Stadtbezirk trifft nach Berechnungen von Transport for London rund 200.000 weitere Besitzer zu alter Autos. Zwar bietet die Stadt finanzielle Hilfe beim Kauf modernerer Fahrzeuge an, aber Pendler kritisieren, das reiche nicht: "Angesichts der hohen Lebenshaltungskosten brechen diese 12,50 Pfund mir das Genick."
Luftverschmutzung hat Folgen
Labour-Bürgermeister Khan dagegen nennt saubere Luft ein Menschenrecht und kein Privileg. Er stützt sich auf eine Schätzung des Imperial College, dass es 2019 in London 4000 verfrühte Todesfälle wegen schlechter Luft gegeben habe. Vor allem die Außenbezirke seien betroffen.
Eltern von asthmakranken Kindern begrüßen Khans Initiative - wie Rosa Appleby Alis in Ealing: Die Schule ihres fünfjährigen Sohnes liegt an einer Hauptverkehrsstraße, und er musste Dutzende Male mit Atemnot ins Krankenhaus gebracht werden. "Die Ärzte sagen uns, die Luftverschmutzung verschlimmert sein Asthma, wir fühlen uns wirklich hilflos", so Alis.
Gegenwind aus der eigenen Partei
Doch der Konflikt geht über den Vorort-Streit zwischen Fahrern von Dreckschleudern und besorgten Eltern weit hinaus. Khans Vorgehen gilt inzwischen in der eigenen Labour-Partei als unpopulär, nachdem offenbar wegen der ULEZ-Ausweitung eine Nachwahl im Londoner Randbezirk Uxbridge verloren ging.
Labour-Parteichef Keir Starmer versuchte seinen Parteifreund, den Bürgermeister, zurückzupfeifen: "Er sollte noch mal darüber nachdenken, denn deshalb haben wir diese Nachwahl verloren."
Verkehrsministerium prüft Kahns Kompetenzen
Auch der konservative Premierminister Rishi Sunak versuchte schon vor Monaten, mit ULEZ-Kritik zu punkten: "Der Bürgermeister versucht, die Maut gegen den Mehrheitswillen von Anwohnern und Betrieben durchzusetzen. Er sollte sich auf die Seite der Londoner stellen, die hart arbeiten."
Sunak lässt seinen Verkehrsminister Mark Harper jetzt prüfen, ob er dem Londoner Bürgermeister Kompetenzen wie die Ausweitung der Mautzone entziehen kann. Einen Brief an Starmer, dass dieser Khan doch die Absetzung androhen solle, hat Harper schon geschrieben.
Umweltgebühr als Wahlthema
Sunak scheint den Kurs zu fahren, dass man die Bürger im Jahr vor der Parlamentswahl nicht mit zu viel Umweltpolitik bedrängen darf. Die Klimaneutralität bis 2030, die sein Vor-Vorgänger Johnson beim Weltklimagipfel COP26 in Glasgow vor zwei Jahren versprochen hatte, genießt unter Sunak keine Priorität mehr.
Und gerne würden die Konservativen auch wieder den Londoner Bürgermeister stellen. Nächstes Jahr wird gewählt. Mit der ULEZ haben sie ein Topthema. Und dann brauchen sie nur noch genügend wütende Autofahrer wie diesen: "Ich werde nie wieder Labour wählen. Auf keinen Fall mehr."