Parlamentswahlen im NATO-Land Litauen Sozialdemokraten gewinnen erste Wahlrunde
In Litauen stehen die Zeichen auf einen Regierungswechsel: Bei den Parlamentswahlen hat die Opposition nach der Auszählung die Nase vorn. Ein zweiter Wahlgang folgt aber noch. Die Sozialdemokraten streben eine Mitte-links-Koalition an.
Im deutschen NATO-Partnerland Litauen deutet sich in der ersten Runde der Parlamentswahl ein Machtwechsel an. Nach vorläufigen Ergebnissen können sich die Sozialdemokraten durchsetzen. Nach Auszählung fast aller Wahlbezirke kommt die bislang oppositionelle Kraft auf 19,5 Prozent der Stimmen, wie die Wahlkommission in Vilnius in der Nacht mitteilte. Das vorläufige Endergebnis wird im Laufe des Tages erwartet.
An zweiter Stelle liegt mit 17,8 Prozent die konservative Vaterlandsunion von Ministerpräsidentin Ingrida Simonyte, die die erstmals zur Wahl angetretene populistische Partei Morgenröte von Nemunas (15,0 Prozent) im Endspurt noch überflügelte.
Die Abstimmungsergebnisse bestätigten Umfragen vor der Wahl, die auf einen möglichen Regierungswechsel in Litauen hindeuteten. Die Wahlbeteiligung lag bei 52,1 Prozent - und damit höher als bei der Wahl vor vier Jahren.
Sozialdemokraten streben Mitte-links-Koalition an
Die Abstimmung am Sonntag war der erste von zwei Wahlgängen: Die Wähler entschieden zunächst über 70 Sitze im Parlament nach dem Verhältniswahlrecht. In zwei Wochen werden sie dann über 71 Direktmandate in der Volksvertretung Seimas abstimmen.
Über Koalitionen dürfte daher erst nach der Wahl gesprochen werden. Die Sozialdemokraten und die Mitte-links-Partei Für Litauen (9,3 Prozent) kündigten aber bereits an, eine Regierung bilden zu wollen. Dazu bräuchten sie bislang allerdings noch mindestens einen weiteren Partner.
"Ich denke, es wird eine Koalition mit zwei linken Parteien", sagte die Vorsitzende der Sozialdemokraten Vilija Blinkeviciute. Als mögliche Partner nannte sie die Bauernpartei, die Grünen und die Partei "Für Litauen". "Unsere Wähler, unser Volk, haben gesagt, dass sie einige Veränderungen wollen", sagte sie und verwies auf Einkommen, Wohnungsbau, Gesundheitsversorgung und Bildung als zentrale Anliegen. Sollte Blinkeviciute die Regierungsbildung gelingen, wird erwartet, dass sie Litauens harte Haltung gegenüber Russland und die hohen Verteidigungsausgaben beibehält.
Exponierte Lage an NATO-Ostflanke
Die Wahllokale öffneten um 7 Uhr Ortszeit und schlossen um 20 Uhr. Der baltische Staat mit seinen 2,9 Millionen Einwohnern hat ein gemischtes Wahlsystem, bei dem die Hälfte des Parlaments nach dem Verhältniswahlrecht mit Fünf-Prozent-Hürde bestimmt wird. Die andere Hälfte wird per Direktmandaten gewählt. Erhält hier kein Kandidat mehr als 50 Prozent der Stimmen in seinem Wahlkreis, so kommt es dort in zwei Wochen zu einer Stichwahl.
Ministerpräsidentin Simonyte hatte im Mai die Präsidentschaftswahl gegen Amtsinhaber Gitanas Nauseda verloren. Die Sozialdemokraten versprachen im Wahlkampf, die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich zu bekämpfen. Dazu wollen sie die Steuern für wohlhabendere Litauer anheben, um Mehrausgaben für das Gesundheits- und das Sozialwesen zu finanzieren.
Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs ist aber auch die nationale Sicherheit ein wichtiges Thema in Litauen, das zur Ostflanke der NATO und der Europäischen Union gehört und an die russische Exklave Kaliningrad sowie den russischen Verbündeten Belarus grenzt. Drei Viertel der Litauer glauben, dass Russland ihr Land in naher Zukunft angreifen könnte, wie eine Umfrage im Mai ergab. Zum Schutz Litauens baut die deutsche Bundeswehr dort ihre bisher größte dauerhafte Auslandspräsenz auf.