Venedig Gesucht: Ein Rezept gegen zu viele Touristen
Venedig lebt von seinen vielen Besuchern und leidet zeitgleich unter ihnen. Die Stadtverwaltung sucht nach einem Rezept gegen zu viel Tourismus. Aber ihre Pläne sind umstritten - und die Umsetzung nicht garantiert.
Venedig ist zauberhaft - und zahlt dafür einen hohen Preis. Besonders deutlich wird das an klebrigen Sommertagen, wenn sich die Toruristenmassen durch die Gassen drängen. Viele Venezianer ächzen unter dem "Zu viel", dem sogenannten Overtourism. Ein einfaches Rezept dagegen scheint es aber nicht zu geben.
Dabei hat es die venezianische Stadtverwaltung versucht: Ein Eintrittspreis sollte die Zahl der Besucher senken. Der Beschluss wurde aber nie umgesetzt. Die Altstadt von Venedig soll ein öffentlicher Ort bleiben und kein Freiluftmuseum werden. Aber ist die "Serenissima" das nicht schon längst?
Die Mieter: Immer mehr Touristen
Wenn man die stilleren Stadtteile aufsucht, findet man ruhige Gassen und Plätze. Wenn nicht gerade ein Rollkoffer vorbeirattert, könnte man in den "Sestieri" meinen, dass es das verwunschene Venedig noch gibt.
Doch liest man die Klingelschilder, ist klar: Hinter den meisten verschlossenen Fensterläden liegen Ferienwohnungen. Der Mietmarkt boomt, zumindest für die Touristen. Für viele Einheimische, die langfristig mieten wollen, ist Venedig viel zu teuer.
Spätestens nach der Uni ziehen die meisten jungen Menschen ans Festland. Die günstigeren Wohnungen sind nur ein Grund. Es gibt dort mehr und unterschiedliche Jobs und man kommt mit dem Auto bequem zum Supermarkt.
Venedigs Altstadt ist ein Ort der Fußgänger: CO2-arm, ohne Staus - das schon. Aber auch mit nur wenigen Spielplätzen und nicht alltagstauglich, wenn man mit einem Kinderwagen unterwegs ist.
Die Hotels sind schnell ausgebucht
Das Problem ist nicht neu und verschärft sich von Jahr zu Jahr. Knapp 50.000 Einwohner zählt die Altstadt noch, ungefähr gleich viele Hotelbetten stehen zur Verfügung und sind in den Sommermonaten und zu Festivalzeiten schnell vergeben. Das Angebot müsste reduziert werden, fordern Aktivisten wie Giovanni Leone. Doch die Stadt ist zögerlich.
"Overtourism" lässt sich nicht klar definieren: Ab wie vielen Gästen es für die Einheimischen "zu viel" ist, ist eine emotionale Frage. Die Bewertung der Belastung hängt auch davon ab, in wie weit die Anwohner vom Tourismus profitieren.
Aktivist Leone sagt, die Erträge aus dem Tourismus kämen bei den Venezianerinnen und Venezianern seit geraumer Zeit nicht mehr an, zu wenig werde in der Altstadt reinvestiert.
2016 reichte es den Bürgern Venedig: Sie demonstrierten gegen die Überfüllung der Stadt.
Die Ideen der Stadtverwaltung
Die Stadtverwaltung sagt, sie habe die Lage erkannt. Aber eine einfache Lösung scheint es nicht zu geben. Eine Idee ist, gezielt junge Familien wieder in die Altstadt zu locken und die Mieten zu subventionieren.
Auch sollen sich in der Altstadt neue Unternehmen ansiedeln, die nichts mit Tourismus zu tun haben. Die Gassen werden seit zwei Jahren intensiver videoüberwacht und Touristenströme umgeleitet, um sie zu entzerren.
Und dann plant die Stadt außerdem eine große Regulierungskeule: Wer in Zukunft als Tagesgast zentrale Plätze in Venedig besuchen will, muss dafür vorab digital einen Slot reservieren, ähnlich wie in den Nationalparks in den USA. Wann es soweit sein wird, ist noch nicht klar. Derzeit plant die Stadtverwaltung eine Testphase.
Bis vor wenigen Jahren kamen die großen Kreuzfahrtschiffe ganz nah ans Zentrum der Stadt. Inzwischen müssen sie in größerem Abstand den Anker setzen.
Wird das Problem nur verlagert?
Wird Venedig damit endgültig zu einem riesigen Freiluftmuseum? Aktivist Leone befürchtet, dass sich bei einer Reservierungspflicht die Menschen dann vielleicht nicht mehr auf dem Markusplatz stauen, aber an anderen Orten. Und auch damit noch die letzten ruhigen Ecken einnehmen, die es bislang gibt.
Die Bereitschaft, die negativen Seiten des Massentourismus gemeinschaftlich zu tragen, scheint in der venezianischen Bevölkerung jedenfalls zu schwinden.