Johnson-Regierung in der Krise Die Entschuldigungen reichen nicht mehr
Der britische Premier Johnson steht unter Druck wie wohl noch nie. Minister treten zurück, weil sie seine ständigen Skandale leid sind. Johnsons routinierte Entschuldigungen reichen offenbar nicht mehr.
So eng war es für den Premier noch nie. Es ist nicht nur die Tatsache, dass zwei seiner wichtigsten Minister gegangen sind, sondern wie sie ihren Abgang begründet haben: Sajid Javid, der bisherige Gesundheitsminister, stellte offen Boris Johnsons Integrität in Frage. Ähnlich harsch die Kritik vom zurückgetretenen Finanzminister Rishi Sunak, der deutlich machte, dass er Johnsons Regierungsstil für nicht kompetent und nicht seriös hält.
Auch wenn gestern Abend noch mehrere Kabinettsmitglieder ihre Unterstützung für Johnson bekundeten, ist der Premier doch maximal angeschlagen. Die Rücktrittsforderungen dürften nicht mehr verstummen.
"Anfang von Johnsons Ende ist eingeleitet", Sven Lohmann, ARD London, über britische Regierungskrise
Monatelange Kritik aus den eigenen Reihen
Zu den schärfsten innerparteilichen Kritikern Johnsons gehört der Abgeordnete Andrew Bridgen. Aus seiner Sicht hätte Johnson schon vor Monaten das Feld räumen müssen: "Das ist kein Premierminister, dem ich folgen möchte. Er muss jetzt gehen, seine Zeit ist vorbei. Ich hatte recht, als ich im Januar sagte, dass es so enden würde."
Wenn Johnson damals abgetreten wäre, hätte es keine Polizeiermittlungen gegeben, dann hätte er noch einen Rest an Zuneigung bekommen für den Brexit und sein Corona-Management, ergänzte Bridgen. "Wenn er jetzt nicht geht, müssen wir ihn rausschmeißen. Das ist alles sehr traurig, aber es muss sein für das Wohl des Landes, des Parlaments und unserer Demokratie - und auch für die konservative Partei."
Johnson hatte in den vergangenen Tagen mit einer neuen Krise zu kämpfen. Der Hintergrund: Er hat den Abgeordneten Chris Pincher zu einem führenden Mitglied der Fraktion gemacht - zum sogenannten Vize-Whip, der dafür zuständig ist, für Fraktionsdisziplin zu sorgen.
Allerdings wird Pincher schon seit Jahren vorgeworfen, ein Grapscher zu sein und andere sexuell zu belästigen. Johnson soll das zum Zeitpunkt von Pinchers Berufung gewusst haben.
Johnson folgt dem immer gleichen Muster
Der Premier und 10 Downing Street waren - als Vorwürfe laut wurden - aber vorgegangen wie immer: Erst hieß es, die Geschichte sei nicht wahr, der Premier habe nichts gewusst, dann hat er etwas gewusst, es aber vergessen - und erst als der Druck zu groß wurde, hat er sich entschuldigt, Pincher berufen zu haben. In der BBC klang das gestern dann so:
Ja, ich glaube, das war ein Fehler, und ich entschuldige mich dafür. Im Rückblick war das ein Fehler. Ich entschuldige mich bei allen, die das in Mitleidenschaft gezogen hat, und ich will klarstellen, dass in dieser Regierung kein Platz ist für jemanden, der lüstern ist oder seine Machtposition missbraucht.
Wenn es nach der Opposition geht, ist in der Regierung für Johnson und die Konservativen selbst kein Platz mehr. Labour-Chef Keir Starmer meint: "Diese Regierung bricht zusammen, und die Tory-Kabinettsmitglieder haben Johnson gestützt. Wir brauchen nicht nur eine Veränderung an der Spitze der Tory-Partei, wir brauchen eine Veränderung der Regierung."
Die Minister sind inzwischen offenbar müde, den Premier in Talkshows immer wieder aufs Neue verteidigen zu müssen - für neue Affären. Auf die Rücktritte seiner Minister hat Johnson umgehend reagiert und die Lücken im Kabinett schon wieder geschlossen. Wenn es nach ihm geht, macht er weiter.