Georgier fordern EU-Beitritt "Wenn nicht jetzt, wann dann?"
Zehntausende Menschen haben in Georgien für einen EU-Beitritt demonstriert. Sie forderten den Rücktritt von Regierungschef Garibaschwili. Seine Regierung habe zu wenig dafür getan, dass Georgien EU-Beitrittskandidat werde.
Der Premierminister, Irakli Gharibaschwili, solle zurücktreten und eine neue Regierung geformt werden, die dann alle zwölf Punkte auf der EU-Empfehlungsliste noch vor Wintereinbruch umsetzt, so die klaren Forderungen. Am Abend hatten sich wieder mehr als 20.000 Menschen vor dem Parlamentsgebäude im Zentrum der georgischen Hauptstadt Tiflis versammelt - zum zweiten Mal binnen einer Woche.
Ging es am Montag, noch vor dem EU-Gipfel in Brüssel, vor allem darum, den Beitrittswillen der georgischen Bevölkerung zur Europäischen Union zu demonstrieren, war die Botschaft diesmal eher nach innen gerichtet. "Unsere Regierung hatte viel Zeit, etwas zu ändern und effizienter zu arbeiten. Aber wir haben erkannt, dass die Regierung nichts für unseren Weg nach Europa getan hat", sagt Tanta. Sie ist mit ihrem Mann und ihrem fünfjährigen Sohn zur Kundgebung gekommen. Tanta arbeitet in einem Ministerium - aber nicht für die Regierung, wie sie klarstellt: "Ich arbeite für mein Land. Wir alle machen unseren Job für unsere Nation, für unser Georgien."
EU hat Georgien Deadline gesetzt
Ein Georgien, dass sich reformieren müsse. Und zwar schnell, sagt Nodar Rukhadze, Mitbegründer der pro-demokratischen Bürgerbewegung "Shame Movement" und Mitorganisator der jüngsten Kundgebungen. Es gelte den Druck auf die Regierung zu erhöhen. Denn die EU hat Georgien eine Deadline gesetzt.
"Diese kommenden sechs Monate, 180 Tage, sind ein sehr wichtiges Zeitfenster, dass uns die EU geöffnet hat, um die notwendigen Reformen umzusetzen und dann ebenfalls den Status eines Beitrittskandidaten zu erhalten", sagt Rukhadze. "Denn wenn nicht jetzt, wann dann? Wenn diese Tür einmal zugeht, wissen wir nicht, ob sie jemals wieder geöffnet werden kann. Das ist die Chance, die man nur einmal im Leben bekommt."
Dabei sei eine engere Anbindung an die EU für Georgien gar überlebenswichtig, erklärt der 25-Jährige: "Wir haben mit Russland einen sehr großen, bedrohlichen Feind als Nachbarn. Und der einzige Weg für unser Land, sicher und stabil zu bleiben und weiter zu wachsen, ist, Mitglied der EU zu werden."
Große Mehrheit für EU-Beitritt
Laut jüngsten Umfragen sind mehr 80 Prozent der Georgierinnen und Georgier für einen EU-Beitritt. Dass ihr Land - anders als die Ukraine und Moldau - vorerst keinen Beitrittskandidatenstatus bekommen hat, sondern lediglich eine europäische Perspektive, hat viele enttäuscht.
Auch Mamuka, der zehn Jahre lang in Deutschland gelebt hat. Europa habe Georgien im Stich gelassen, sagt er. "Europa hätte sagen können: Ok, zusammen mit Moldau und der Ukraine, bekommen Sie den Status, aber Ihr müssen diese und jenes tun." Gleichzeitig hat der Vater von drei Kindern wenig Hoffnung, dass es die aktuelle Regierung schafft, die Anforderungen der EU bis zum Jahresende umzusetzen.
Die Frist, die die Organisatoren der gestrigen Kundgebung für die Erfüllung ihrer Forderungen gesetzt haben, ist sogar noch kürzer: Sollte sich bis Ende kommender Woche nichts getan haben - das heißt, der Premier nicht zurückgetreten sein - wollen sie am kommenden Sonntag erneut vor dem Parlamentsgebäude demonstrieren.