Ratspräsidentschaft Europaabgeordnete zweifeln Eignung Ungarns an
Von Juli bis Dezember 2024 soll Ungarn die Ratspräsidentschaft übernehmen - sehr zum Verdruss des EU-Parlaments. Das hat nun in einer Resolution in Frage gestellt, ob das Land mit seiner rechtsnationalen Regierung dafür geeignet ist.
Das Europäische Parlament hat die Eignung Ungarns für die EU-Ratspräsidentschaft in Zweifel gezogen. Das Parlament frage sich, ob Ungarn in der Lage sei, "diese Aufgabe angesichts der Nichtachtung von Recht und Werten" der EU "in glaubwürdiger Weise" zu erfüllen, hieß es in einer verabschiedeten Resolution des Parlaments.
Die Resolution wurde mit 442 Ja-Stimmen angenommen, 144 Abgeordnete waren dagegen, 33 enthielten sich. Die Resolution ist nicht bindend, weshalb es als unwahrscheinlich gilt, dass Ungarn die für Juli 2024 geplante Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft entzogen werden könnte.
Parlament pocht auf "geeignete Lösung"
"Einmal mehr bringt das Europäische Parlament einhellig seine tiefe Besorgnis über die Verschlechterung der rechtsstaatlichen Situation in Ungarn zum Ausdruck", sagte die zuständige Berichterstatterin Gwendoline Delbos-Corfield (Grüne).
In der Resolution ist unter anderem von "systemischer Korruption" in Ungarn die Rede. Zudem wird das Regieren per Dekret angeprangert sowie die Bedrohung der Rechte von Lehrern oder auch LGBT+-Menschen. Das Parlament forderte die EU-Mitgliedsstaaten angesichts dieser Probleme auf, "so bald wie möglich eine geeignete Lösung zu finden". Andernfalls könne das Parlament auch "entsprechende Maßnahmen ergreifen".
Körner: Bock zum Gärtner machen
"In den letzten Monaten hat die Regierung unter Herrn Orban fast wahllos wichtige Gesetzesvorhaben auf europäischer Ebene in Geiselhaft genommen, um Zugeständnisse für sich zu erpressen. Kann ein Land, das so vorgeht, die politische Führung in Europa übernehmen? Diese Entscheidung liegt bei den EU-Mitgliedsstaaten, nicht dem Europäischen Parlament", sagte die Europaabgeordnete Monika Hohlmeier (CSU).
Bereits am Dienstag hatte Europa-Staatsministerin Anna Lührmann (Grüne) gesagt, sie habe "Zweifel daran, inwieweit es Ungarn gelingen kann, eine erfolgreiche Ratspräsidentschaft zu führen". Ungarn sei "momentan in der EU isoliert wegen Problemen bei der Rechtsstaatlichkeit, die wirklich gravierend sind". Zudem lasse das Land immer wieder mangelnde Unterstützung für die Ukraine im russischen Angriffskrieg erkennen.
Der FDP-Abgeordnete Moritz Körner drückte es im Vorfeld so aus: Ratsvorsitz für das völlig isolierte Ungarn - damit würde man aus Sicht des EU-Parlaments den Bock zum Gärtner machen. "Das wäre so, als wenn man den Schulhofschläger zum Schuldirektor macht."
Ungarn widersetzte sich Sanktionen
In der EU übernimmt alle sechs Monate ein anderes Land den Vorsitz im Ministerrat. Bisher ist es noch nie vorgekommen, dass einer der 27 Mitgliedsstaaten übergangen wurde. Nur Großbritannien hatte 2017 aufgrund der Entscheidung, die EU zu verlassen, auf den Vorsitz verzichtet. Ungarn soll die Ratspräsidentschaft von Juli bis Dezember 2024 übernehmen, nach Belgien und vor Polen.
Die Europäische Kommission hatte im Dezember fast 22 Milliarden Euro für Ungarn aus dem Strukturfonds für den Zeitraum von 2021 bis 2027 eingefroren. Hintergrund sind Hinweise auf Korruption und den Missbrauch von EU-Hilfen. Die ungarische Regierung hatte zudem öfter Pläne für Strafmaßnahmen gegen Russland torpediert und versucht, Personen, die dem Kreml nahestehen, von Sanktionen auszunehmen.
Mit Informationen von Jakob Mayr, ARD-Studio Brüssel