Hauptthema Ukraine Das sind die Knackpunkte beim EU-Gipfel
Es geht um die Ukraine und viel Geld: Der letzte EU-Gipfel des Jahres hat Drama-Potenzial. Das liegt auch an Ungarn Regierungschef Orban, der Beitrittsgespräche mit Kiew blockieren könnte. Aber das ist nicht das einzige Streitthema.
Wie so häufig hängt auch beim Gipfel alles mit allem zusammen. Und sehr, sehr vieles hängt an ihm: "The spirit of Europe is with me!" - "Der Geist von Europa ist mit mir" - es ist nicht klar, ob dieser jüngste Einwurf von Ungarns Premier Viktor Orban eher zum Lachen oder Weinen anregt. Denn wie viel europäischer Geist ihn wirklich umweht - da sind große Zweifel angebracht. Mal wieder scheint der Erfolg des Gipfels an ihm zu hängen. Aber im Einzelnen:
Sollte die EU Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine aufnehmen?
Es ist der Fixpunkt, um den sich das Gipfelgeschehen dreht. Oder um es mit dem Außenminister der Ukraine, Dmytro Kuleba, zu sagen: Die Mutter aller Entscheidungen - über Beitrittsverhandlungen - ist für die EU-Kommission längst ein klarer Fall. Anfang November hat sie Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine offiziell empfohlen, 90 Prozent der nötigen Reformen seien umgesetzt, hieß es damals. Und auch seitdem, so Kommissionschefin Ursula von der Leyen ganz aktuell, sei die Ukraine beim Rest - etwa Korruptionsbekämpfung und Minderheitenschutz - sozusagen im Schweinsgalopp vorangekommen.
Nur Orban blockiert
Auch 26 Staat- und Regierungschefs sagen "Ja". Nur Orban blockiert offen. Vor "unvorhersehbaren Konsequenzen" warnt er. Und meint auch finanzielle Folgen: Laut einer aktuellen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft würden dann bis zu 17 Prozent des EU-Haushalts in die Ukraine fließen. Oder noch mehr - schwer zu sagen bei einem Land, das jeden Tag mehr Zerstörung erlebt.
Die große Mehrheit der Staats- und Regierungschefs argumentiert deshalb mit dem großen geostrategischen Interesse Europas. Und setzt darauf, Orban zumindest noch für eine weiche, Spielraum-gebende Gipfel-Erklärung "pro Ukraine" zu gewinnen. Und allen voran warnt der ukrainische Außenminister Kuleba vor einem Scheitern: "Ich kann mir nicht vorstellen, ich will nicht mal andeuten, welche verheerenden Folgen es hätte, wenn der Europäische Rat nicht zu einer Entscheidung zugunsten der Ukraine kommt."
Wohl auch um Orbans Kompromissbereitschaft zu fördern, hat die EU-Kommission quasi in letzter Sekunde zehn Milliarden Euro frei gemacht. EU-Gelder, die bisher wegen Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit eingefroren waren. Laut Brüsseler Behörde ein formales Verfahren: Ungarn erfülle nun die Voraussetzungen, um diese Mittel anzufordern.
Wie stark und nachhaltig ist die finanzielle Unterstützung für die Ukraine?
Als Symbol dafür steht jetzt die Summe von 50 Milliarden Euro. Eine beeindruckende Summe in Relation zur Größe des ukrainischen Staatshaushalts von gut 40 Milliarden Euro. Geplant sind diese 50 Milliarden von der EU als mehrjährige Unterstützung allein für die laufenden Kosten der Regierung: für Infrastruktur, Beamtengehälter, Pensionszahlungen. Die Militärhilfe wohlgemerkt steht auf einem anderen Blatt.
"Wir müssen der Ukraine heute das geben, was sie braucht, um stark zu sein", sagt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. "Und damit sie noch stärker sein kann bei Verhandlungen über einen dauerhaften und gerechten Frieden für die Ukraine." Aber auch hier ist eine Lösung ohne die noch nicht erfolgte Zustimmung Orbans nur sehr schwer oder eher provisorisch möglich.
Wird der EU-Haushalt generell üppiger ausgestaltet?
Das ist die Frage hinter dem großen Tagesordnungspunkt "Mehrjähriger Finanzrahmen". Dieser ist aufgestellt vom Jahr 2021 bis 2027 und erfährt quasi zur Halbzeit eine Revision. Die Kommission hätte gerne einen weiteren Nachschlag auch für die Reaktion auf Krisen aller Art. 16 Milliarden Euro war der ursprüngliche Wunsch.
Nicht mit uns, sagt Bundeskanzler Olaf Scholz. Er empfiehlt Sparsamkeit und Umschichtungen: "Angesichts der Haushaltslage in vielen Mitgliedstaaten und angesichts vieler Milliarden, die noch nicht ausgegeben wurden, muss es zu allererst darum gehen, diese Mittel sinnvoll auszuschöpfen und zu priorisieren."
Weit auseinander liegen hierbei auch die Interessen anderer Staaten, nicht nur mit Ungarn. Heißt für Bundeskanzler Scholz zumindest: Nach frisch gelöstem Haushaltsstreit in Berlin, kann er den in Brüssel wohl erst mal vertagen - auf neue EU-Gipfel im kommenden Jahr.