
Komplizierte Beziehungsgeschichte Franziskus und die Deutschen
Franziskus und Deutschland - das ist eine Geschichte voller Missverständnisse, Liebe und Klischees. Mehrere Monate lebte Franziskus in den 1980er-Jahren in Frankfurt und lernte die Sprache. Doch glücklich wurde er hier nicht.
Die große Liebe seines Lebens stammt aus Augsburg. Sie hat ihn, wo immer er war, begleitet. Nach Buenos Aires, sogar nach Rom: die Mutter Gottes als Knotenlöserin. Dieses Motiv hatten die Besucher vor Augen, wenn sie Franziskus im Vatikan, in seinem Apartment in der Casa Santa Marta besuchten. Die Kopie eines Gemäldes aus der kleinen Augsburger Kirche Sankt Peter am Perlach. Die Hoffnung: So wie die Mutter Gottes die Knoten einer Schnur löst, so löst sie auch die Probleme der Menschen.
Ein Augsburger Patrizier soll das Gemälde gestiftet haben, als Votivgabe für gelöste Eheprobleme. Dieses Bild hatte es Jorge Mario Bergoglio so angetan, dass er in Buenos Aires eine Replik für die Kirche San José del Talar anfertigen ließ. Vermutlich kennt er es nicht mal im Original. Eine Postkarte, die er einmal nach Argentinien geschickt bekam, hat ihn auf die Knotenlöserin aufmerksam gemacht.
Es gibt wohl kaum ein Land, zu dem dieser Papst eine derart ambivalente Beziehung gepflegt hat, wie zu Deutschland. Da ist auf der einen Seite große Verehrung, nicht nur für die Madonna aus Augsburg. Schon am 15. März 2013, an seinem zweiten Arbeitstag hatte Papst Franziskus in Anspielung auf sein eigenes Alter (damals 76 Jahre) den deutschen Dichter Hölderlin zitiert. Und zwar auf Deutsch: "Es ist ruhig, das Alter, und fromm." Franziskus schwärmte außerdem für Richard Wagner und Ludwig van Beethoven und verehrte den deutsch-italienischen Theologen Romano Guardini.
Franziskus litt in Deutschland unter Heimweh
Der war auch Anlass für einen mehrmonatigen Aufenthalt in Deutschland im Jahr 1986. Bergoglio wollte an der Jesuitenhochschule in Frankfurt seine Deutschkenntnisse verbessern und Material für eine Doktorarbeit über Guardini sammeln. Dass er am Ende diese Arbeit nie abgeschlossen hatte, beschäftigte ihn später weniger als das Gefühl der "Entwurzelung", das er in Deutschland erlebt hatte. Er litt unter Heimweh.
"Dort fühlte ich mich völlig fehl am Platz", sagte er später. "Ich bin immer wieder auf den Friedhof in Frankfurt gegangen, um dort den Flugzeugen beim Starten und Landen zuzusehen, voller Heimweh." Argentinien wurde 1986 Fußball-Weltmeister. Und ausgerechnet diesen historischen Moment erlebte der Jesuit fern der Heimat in Deutschland. "Ich ging in meine Sprachschule und niemand sagte etwas." 34 Jahre später verglich er diese Monate im deutschen Exil mit der erzwungenen Isolation in der Covid-Zeit. Keine rosaroten Erinnerungen.
Als am 13. März 2013 Jorge Mario Bergoglio zum Papst gewählt wurde, da waren im eher reformorientierten deutschen Katholizismus die Hoffnungen groß: auf einen Papst, der den Reformstau in der Kirche löst. Papst Franziskus, der so anders als seine Vorgänger auftrat, könnte tatsächlich etwas in Bewegung bringen, so die Erwartung. Bei seinem ersten Weltjugendtag in Rio de Janeiro hatte er die katholische Jugend der Welt zur Unruhe angestiftet: "Macht Wirbel!" Doch als die deutschen Katholiken daran gingen, in der Folge des Missbrauchsskandals kirchliche Strukturen und Moralvorstellungen durcheinanderzuwirbeln, da reagierte der Pontifex pikiert.
Deutsche Gründlichkeit störte den Papst
Die katholische Bischofskonferenz und das ZdK (die Vertretung der deutschen Katholiken) hatten einen "Synodalen Weg" gestartet, in dem offen über die heißen Eisen in der katholischen Kirche gesprochen werden sollte: das Zölibat, die Sexualmoral, die Priesterinnen für Frauen. Am Ende des Weges standen auch Beschlüsse, die konkrete Reformen in Aussicht stellten. Franziskus ging das zu weit. Er teile die "Sorge über die inzwischen zahlreichen konkreten Schritte, mit denen sich große Teile dieser Ortskirche immer weiter vom gemeinsamen Weg der Weltkirche zu entfernen drohen".
Was Franziskus wohl besonders störte, war die deutsche Gründlichkeit, mit der Bischöfe und Laien zu Werke gingen. Im Inhalt dürfte er viele Positionen geteilt haben, im Stil nicht. Der "Synodale Weg" agierte ihm zu sehr wie ein Kirchenparlament, mit Abstimmungen, mit Gewinnern und Verlierern. Er sah die Veränderung der Kirche als organischen Vorgang. Reformen ermöglichte er nur in homöopathischen Dosen. Dem Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz hat er gesagt: "In Deutschland gibt es eine sehr gute evangelische Kirche. Wir brauchen nicht zwei davon." Und das war sicher nicht als Kompliment an die evangelische Kirche adressiert.
Bei der Beurteilung der katholischen Kirche in Deutschland dürften sich Franziskus und sein deutscher Amtsvorgänger Benedikt einig gewesen sein. Franziskus hob stets hervor, wie vertrauensvoll und eng seine Beziehung zu Benedikt XVI. war, der nach seinem Rücktritt als Nachbar im Vatikan lebte, praktisch Tür an Tür mit dem Amtsinhaber. Er sah in Benedikt einen "weisen Großvater" und erweckte den Eindruck, als passe zwischen ihn und seinen Vorgänger kein Blatt Papier.
Die großen Unterschiede zwischen Benedikt XVI. und Franziskus
Theologisch, ideologisch aber trennten die zwei Kirchenmänner ganze Bibliotheken. Papst Benedikt verurteilte jede Anpassung der Kirche an den Zeitgeist als "Relativismus". Der Argentinier hatte einen ganz anderen Blick auf Welt und Kirche: "Die Wirklichkeit ist wichtiger als die Idee", schrieb Franziskus in seiner Enzyklika "Evangelii gaudium". Soll heißen, kein Prinzip der Kirche ist so heilig, dass sie nicht auf die Lebensumstände von Menschen Rücksicht nehmen kann, nehmen muss. Barmherzigkeit war das Leitmotiv dieses Pontifikats.
Regelrecht vergiftet war die Beziehung von Franziskus zum ehemaligen Sekretär von Papst Benedikt, Georg Gänswein. Der hatte unmittelbar nach dem Tod des deutschen Papstes ein Buch veröffentlicht, in dem er von Spannungen zwischen den beiden Päpsten sprach. Gänswein behauptete etwa, Franziskus habe Benedikt "das Herz gebrochen", als er die Möglichkeit im alten, lateinischen Ritus die Messe zu feiern, einschränkte.
Franziskus reagierte auf diesen Versuch, posthum seine Beziehung zu Benedikt in ein anderes Licht zu rücken, verärgert. Erzbischof Gänswein wurde in den vorläufigen Ruhestand zurück nach Deutschland versetzt. Gänswein fehle es an Menschlichkeit, sagte Franziskus in einem Interview, indem er auch den schwerwiegenden Vorwurf erhob: Gänswein habe Benedikt XVI. in dessen letzten Lebensjahren instrumentalisiert, bewusst von der Außenwelt abgeschottet und gegen den amtierenden Papst in Stellung bringen wollen. Am Ende siegte - typisch Franziskus - das Prinzip Barmherzigkeit: Georg Gänswein wurde zum Nuntius, zum Botschafter befördert. Heute vertritt er den Vatikan in Litauen, Estland und Lettland.