Bulgariens Regierung Ende der Machtteilung?
Am Dienstag legte der bulgarische Premier Denkow sein Amt nieder. Eigentlich, um den Weg für eine vereinbarte Machtrotation freizumachen. Doch diese droht nun zu scheitern. Kommen schon wieder Neuwahlen auf das Land zu?
In Bulgariens Innenpolitik geht es wieder hoch her. Nach fünf Parlamentswahlen in den vergangenen knapp drei Jahren könnte im Juni die nächste vorgezogene Neuwahl anstehen.
Zumindest, wenn es nach Bojko Borissow geht, dem Partei- und Fraktionschef der mitregierenden Partei GERB: "Ich sehe keine positive Lösung für diesen Rotationszyklus. Die anderen Parteien haben das jetzt provoziert." Es müsse Neuwahlen geben.
"Wir lassen uns auf so einen Tanz mit diesen Leuten auf diese Weise nie mehr ein", erklärte Borissow. Mit "diesen Leuten" meint er seine Regierungspartner, das Reformer-Bündnis aus "Wir setzen den Wandel fort" und "Demokratisches Bulgarien".
"Mangel an Absprachen"
Offiziell gibt es keine Koalition. Die Absprachen sind eher lose. Fix abgemacht wurde nur: Der Premierminister der Reformer-Parteien Nikolaj Denkow macht nach neun Monaten Platz für die aktuelle Außenministerin Maria Gabriel von GERB an der Regierungsspitze.
Denkow trat sodann am Dienstag wie geplant zurück, das Parlament nahm den Rücktritt gestern an. Doch nun rächt sich der Mangel an festen Absprachen, so der Politologe Boris Popiwanow von der Universität Sofia: "Es herrscht jetzt Chaos, absolutes Chaos. Denn jeder behauptet, dass nichts im Voraus ausgehandelt worden ist. Es könnte jetzt also alles passieren."
Mangelndes Vertrauen
Die Parteien überziehen sich gegenseitig mit Forderungen. Es geht etwa um das Spitzenpersonal in wichtigen Institutionen des Staates. Hristo Iwanow ist Co-Parteichef von "Demokratisches Bulgarien". Mit "Wir setzen den Wandel fort" hat er sich den Kampf gegen die Korruption vorgenommen.
Iwanows Forderungen an GERB sind entsprechend: "Wir brauchen bestimmte Verpflichtungen zu Reformen in der Justiz. Das Gleiche müssen wir mit den staatlichen Aufsichtsbehörden tun. Und wir müssen uns darauf einigen, wie wir als Mehrheit zusammenhalten wollen."
Das Problem: Zwischen den Parteien fehlt es an Vertrauen und Wertschätzung. Borissows Androhung einer Neuwahl etwa lächelt Iwanow einfach weg. Er nimmt Borissow augenscheinlich nicht ernst: "Ich denke, dass die Reaktion von Herrn Borissow eher emotional war. Das ist nicht das erste Mal. Daher würde ich dieser Art von Erklärung nicht allzu viel Gewicht beimessen."
Es bleibt nur wenig Zeit
Iwanow will verhandeln, sehr viel Zeit bleibt aber nicht. Schon vor Borissows Neuwahl-Aussage hatte GERB ihren Regierungspartnern einen Koalitionsvertrag vorgelegt. Diese sollen schon am Freitag Bescheid sagen, ob sie bereit für eine offizielle Koalition sind.
Selbst wenn GERB nicht auf der Forderung beharrt, bleibt nur bis Anfang April Zeit, eventuelle Neuwahlen in die Wege zu leiten. Denn sonst könnte die Parlamentswahl nicht zeitgleich mit der Europawahl stattfinden. Das wäre wiederum schlecht für die Wahlbeteiligung, die zuletzt ohnehin nur bei rund 40 Prozent lag.
Rolle des Präsidenten
Wie es weitergeht, hängt auch vom größten Kritiker der aktuellen Regierung ab, Staatspräsident Rumen Radew. Nur er kann einer Partei das Mandat zur Regierungsbildung geben. "Ich hoffe, dass bald klar wird, ob die Chefs der zurückgetretenen Bündnisse bluffen, ob sie politischen Poker spielen, ob sie den Einsatz für eine bevorstehende Verlängerung dieser gemeinsamen Regierung erhöhen, ob sie ihre Wähler für Neuwahlen mobilisieren", kommentiert Radew die Entwicklungen. Den Terminplan für seine Beratungen mit den Parteien wolle er heute bekannt geben.
Nach diesen Beratungen kann Radew die Regierungsbildung zu einem beliebigen Zeitpunkt in Auftrag geben. Früher hatte der als Putin-freundlich geltende Radew solche Zeiten genutzt, um mit von ihm bestimmten Übergangsregierungen seine eigene Politik zu verfolgen.
Als einer der wenigen Erfolge der aktuellen Regierung gilt, dass sie die Befugnisse des Präsidenten dahingehend beschnitten hat. Politikwissenschaftler Popiwanow glaubt deshalb, dass die aktuelle Krise in zwei bis drei Wochen vom Tisch ist und die Regierung weiter macht.
Steigende Politikverdrossenheit
Der Preis dafür wäre eine weiter steigenden Politikverdrossenheit in der Bevölkerung. Er glaube nicht, dass es für irgendeine Regierung möglich sei, neues Vertrauen zu gewinnen. "Denn es ist ein Mangel an Vertrauen nicht nur in die eine oder andere Partei, sondern in das gesamte politische System."
Popiwanow sieht Neuwahlen deshalb nicht als Lösung. Denn neue, funktionierende politische Konstellationen sind zumindest kurzfristig nicht in Sicht.