Bärenvorfälle in der Slowakei "Es vergeht kein Tag ohne Berichte"
In der Slowakei beunruhigen mehrere Bärenattacken die Bevölkerung. Landwirte fordern, die Jagd auf die geschützten Tiere zu eröffnen. Die Regierung ist jedoch gespalten, wie es mit den Bären weitergehen soll.
Der verletzte Jogger aus Liptovský Hrádok im Zentrum der Slowakei konnte sich gerade noch so zu einer Straße schleppen, wo er von einem Busfahrer entdeckt wurde. Er sei mit Bisswunden ins Krankenhaus gebracht worden, teilte die staatliche Naturschutzbehörde mit. Die Region namens "Große Fatra", in der sich das Drama abspielte, ist wegen ihrer bergigen und bewaldeten Landschaft auch bei Touristen beliebt. Am Fuß dieses Gebirges erlegte ein Einsatzteam der Behörde außerdem eine auffällig gewordene Bärin. Sie hatte ihre natürliche Scheu verloren - und sich dem Rathaus, einer Bushaltestelle und dem Kindergarten genähert, hieß es. Vielleicht eine sogenannte Container-Bärin.
"Das sind Bären, die menschliche Lebensmittel kennengelernt haben. Solche Bären können auch Menschen angreifen. Oder sie werden abgeschossen", sagt Umweltschützer und Dokumentarfilmer Erik Baláž. "Da haben aber Menschen die Fehler gemacht, weil sie angefangen haben, Bären zu füttern oder es den Bären ermöglicht haben, an ihre Abfälle zu gelangen." Damit seien sie verantwortlich dafür, dass sich die Bären an menschliche Nahrung gewöhnen. "Und sie sind auch für ihren Tod verantwortlich."
Baláž erklärt, eigentlich würden sich Bären und Menschen immer aus dem Weg gehen. Anstatt von Problembären zu sprechen, sieht er Problemmenschen am Werk: "Der Bär ist im Grunde ein sehr scheues Tier. Viele Menschen sind wahrscheinlich schon mal einem Bären begegnet, und haben es gar nicht wahrgenommen." Denn ein Bär laufe normalerweise weg, wenn er einen Menschen bemerkt, noch bevor der Mensch ihn überhaupt erkennen würde.
Angriff auf Landwirt sorgt für Protest
Dem Jogger hat diese Erkenntnis allerdings nicht geholfen. Auch nicht einem Mann, der am Freitag zur Pistole griff, als ihn in Sučany, im Norden des Landes, eine Bärin angriff. Er feuerte zehn Schuss auf das Tier, bevor es starb. Jetzt suchen die Behörden nach den Jungen der Bärin. Außerdem untersuchen die Behörden einen weiteren Fall, bei dem ein Waldarbeiter auf einen Bären schoss.
Den Menschen in der Region macht das Angst. Geht es nach den Vertretern der slowakischen Bauern, müsste die Jagd auf Braunbären schleunigst eröffnet werden. Sie argumentieren, die Bären hätten sich mittlerweile so stark vermehrt, dass es einfach zu viele seien, sagt Emil Macho, der Vorsitzende der slowakischen Landwirtschaftskammer. "Es vergeht kein Tag ohne Berichte über totgefahrene Bären oder Bärenangriffe. Es vergeht kein Tag, an dem wir keine neuen Fotos in den sozialen Netzwerken über Begegnungen mit Bären sehen."
Konkreter Anlass für den Bauernprotest ist ein Angriff auf einen jungen Landwirt in dem Dorf Háj bei Turčianske Teplice, ebenfalls im Zentrum der Slowakei. Der Bär sei überraschend vor ihm aufgetaucht, als er gerade Pferde auf die Weide geführt habe, schildert der 20 Jahre alte Christian Sedlačko den Vorfall: "Er hat sich umgedreht, sich auf die Hinterbeine gestellt, ist auf mich gesprungen, hat mich gebissen und mit den Krallen verletzt."
Umweltminister schließt Massenjagd aus
Die slowakische Regierung ist in der Frage gespalten, wie es nun mit den Bären weitergehen soll. Das Landwirtschaftsministerium der amtierenden Expertenregierung spricht von zu vielen Bären, Umweltminister Milan Chrenko weist das zurück. Die Zahl von ungefähr 1300 Bären im Land habe sich in den vergangenen Jahren kaum verändert. Außerdem könne man sie nicht einfach jagen. "Mehr Abschüsse oder eine Massenjagd, wie es sie in der Vergangenheit gegeben hat, sind wegen der nationalen und europäischen Gesetze nicht möglich", sagt Chrenko.
Denn Braunbären und ihre Lebensräume sind besonders schützenswert. Helfen sollen jetzt verschließbare Mülleimer, um die Tiere nicht in Siedlungen zu locken. Außerdem wollen Umweltministerium und lokale Behörden ihren speziellen Bärendienst verstärken, die Zusammenarbeit bei Sichtungen.