Gesetzesentwurf Londons radikale Asyl-Pläne
Mit einem neuen Gesetz will die britische Regierung die Zahl der Geflüchteten im Land reduzieren. Die Pläne würden allerdings das internationale Recht auf Asyl aushebeln. Der Widerstand von Menschenrechtlern ist daher schon einkalkuliert.
Innenministerin Suella Braverman bemühte sich um einen ruhigen Ton, als sie im Unterhaus ihren Gesetzentwurf für eine Verschärfung des Asylrechts vorstellte: "Seit 2018 sind ungefähr 85.000 Menschen illegal mit kleinen Booten nach Großbritannien gekommen. Alle sind durch mehrere sichere Länder gereist, wo sie Asyl hätten beantragen können und sollen", so die Politikerin der konservativen Tories.
Die Zahl der Geflüchteten zu reduzieren, die mit Schlauchbooten über den Ärmelkanal kommen, gehört zu den zentralen Vorhaben von Premierminister Rishi Sunak. Die konservative Regierung will an diesem Punkt unbedingt liefern - schließlich war es eines der grundlegenden Brexit-Versprechen, dass die Briten wieder in der Lage sein würden, ihre Grenzen zu kontrollieren. Die Situation am Ärmelkanal führt ihnen nun täglich vor Augen, dass das nicht der Fall ist.
Braverman: " Sie kommen hierher"
Mit dem neuen Gesetzentwurf würde man Zehntausende davon abhalten, nach Großbritannien zu kommen, sagte Braverman. Allerdings baute die Ministerin, die politisch sehr weit rechts steht, später noch eine Zahl ein, die eine ganz andere Größenordnung nahelegt:
Es gibt weltweit hundert Millionen Menschen, die nach unseren derzeitigen Gesetzen Schutz bei uns suchen könnten. Wir sollten uns im Klaren sein: Sie kommen hierher. Wir haben innerhalb von zwei Jahren bei den Kanalüberquerungen einen Anstieg um 500 Prozent gesehen. Sie werden nicht aufhören zu kommen, bis alle wissen: Wenn Du illegal nach Großbritannien kommst, wirst Du eingesperrt und zügig abgeschoben.
Erst Abschiebung, dann Asylantrag
Tatsächlich steigt die Zahl der Bootsflüchtlinge an. Im vergangenen Jahr belief sie sich aber auf knapp 46.000 - eine Zahl, die weit entfernt ist vom siebenstelligen Bereich.
Der neue Gesetzentwurf sieht konkret vor, fast alle illegal ins Land gekommenen Flüchtlinge abzuschieben. Die Betroffenen sollen ohne richterliche Überprüfung in Gewahrsam genommen und dann ausgeflogen werden - entweder in ihr Heimatland oder in ein Drittland wie Ruanda, mit dem Großbritannien ein entsprechendes Abkommen hat. Erst nach der Abschiebung sollen sie das Recht haben, Asyl zu beantragen. Die britische Regierung weiß, dass ihr Unterfangen heikel ist. Innenministerin Braverman hatte vorab schon eingestanden, dass sie mit ihren Plänen internationales Recht ausreizt, will sich davon aber nicht aufhalten lassen.
Pläne könnten vor Gericht landen
Bei ihrer Rede im Unterhaus kam sie auch auf das vergangene Jahr zu sprechen, als der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im letzten Moment einen ersten Abschiebeflug nach Ruanda verhindert hatte. So etwas will die britische Regierung nicht mehr akzeptieren: "Die Fähigkeit, unsere Grenzen zu kontrollieren, kann nicht von einem undurchsichtigen Prozess zu später Stunde behindert werden, bei dem wir keine Chance haben, Argumente vorzutragen oder Einspruch gegen Entscheidungen einzulegen", so Braverman.
Die Regierung rechnet offenbar damit, dass ihre Asylpolitik vor Gericht angefochten wird. Auch kann es in der Tat sein, dass die Regierungspläne gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen. Oppositionsführer Keir Starmer hat bezweifelt, dass das Vorhaben rechtlich Bestand haben wird, und der britische Flüchtlingsrat verwies auf die Verpflichtung, die das Königreich im Rahmen der Genfer Flüchtlingskonvention hat: Menschen unabhängig von ihrem Ankunftsweg eine faire Anhörung zu gewähren.