EU zum Austritt Wachsender Ärger über Brexit-Gezerre
Der Brexit zehrt an den Nerven: Die EU hat klargestellt, erstmal abwarten zu wollen. Kommissionschef Juncker spricht von "Zeit- und Energieverschwendung". In London stehen heute zwei wichtige Abstimmungen an.
Wie weiter im zähen Brexit-Ringen? Täglich stellt sich die Frage neu - in Brüssel und in London. Bei der EU macht sich zunehmend Unwillen breit, dem Thema noch weiter viel Aufmerksamkeit zu widmen.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, ein Freund klarer Worte und erklärter Brexit-Gegner, formuliert es so: "Es war eine Zeit- und Energieverschwendung." Die EU habe alles in ihrer Macht Stehende getan, um einen geordneten Brexit zu ermöglichen. Nun liege es am britischen Parlament, ob es dem überarbeiteten Austrittsabkommen zustimme, sagte Juncker im Europaparlament.
Tusk will No-Deal-Brexit verhindern
Diplomatischer drückte sich EU-Ratspräsident Donald Tusk aus. Er beschrieb die Lage als "komplex". Die EU wird ihm zufolge alles tun, um einen Brexit ohne Vertrag zu verhindern. "Ein No-Deal-Brexit wird niemals unsere Entscheidung sein."
Der Brexit-Beauftragte des Europaparlaments, Guy Verhofstadt, stellte Bedingungen für die Ratifizierung des neuen EU-Austrittsvertrags mit Großbritannien. Nur wenn EU-Bürger nicht aus Großbritannien ausgewiesen würden, könne das Parlament zustimmen. Im übrigen werde das Europaparlament dem Austrittsvertrag erst zustimmen, wenn das gesamte Ratifizierungsverfahren in Großbritannien abgeschlossen sei, fügte Verhofstadt hinzu. Das werde nicht mehr diese Woche geschehen.
Zwei wichtige Abstimmungen
In London stehen heute zwei wichtige Abstimmungen im Unterhaus an: Im ersten Fall geht es um die Einwilligung in die Prüfung der Gesetzentwürfe, mit denen das mit der EU ausgehandelte neue Austrittsabkommens in britisches Recht übertragen wird. Britische Medien sehen hier gute Chancen für Premier Boris Johnson.
Eng dürfte es für ihn bei der zweiten Abstimmung werden, in der sich die Abgeordneten zu einer regelrechten Marathondebatte verpflichten sollen: Bis Donnerstag soll der gesamte Brexit-Gesetzgebungsprozess nach dem Willen der Regierung im Unterhaus abgeschlossen sein.
"Wie sollen wir das angemessen beurteilen?"
Doch wie in Brüssel wächst vor der Parlamentssitzung auch in London die Unzufriedenheit. Das von Premier Johnson präsentierte Dokument zum Gesetz zur Ratifizierung des Brexit-Vertrags umfasst 115 Seiten. Um abstimmen zu können, müsse man den Inhalt kennen, sagte Emily Thornberry von der Labour-Partei. "Warum sollten wir das Spiel von Boris Johnson mitspielen?"
Als "skandalös" bezeichnete Labour-Brexit-Experte Keir Starmer das Vorgehen. Auch Pete Wishart von der Schottischen Nationalpartei war erbost: "Wie um Himmels willen sollen wir die Chance haben, das angemessen zu beurteilen?"
Im Schnelldurchlauf zum Brexit - dieser Prozess wäre sehr ungewöhnlich. In Großbritannien dauert es in der Regel Wochen, bis ein Gesetz verabschiedet wird. Doch Johnsons Regierung will den Prozess in wenigen Tagen durchziehen.