Verschiebung beantragt Zwei Brexit-Briefe und viele Fragen
Die Regierung Johnson hat in Brüssel um einen Aufschub des EU-Austritts gebeten - erzwungenermaßen. In einem zweiten Brief formulierte Johnson, was er davon hält.
Das Parlament hat die Regierung ausgebremst: Die Abstimmung über den Brexit-Vertrag mit der EU ist verschoben worden. Zuerst müssen nun die entsprechenden nationalen Gesetze formuliert und verabschiedet werden, so haben es die Abgeordneten in einem Änderungsantrag gefordert. Erst dann wird über den EU-Deal entschieden - damit es am Ende nicht aus Zeitmangel doch noch zu einem harten Brexit kommt.
Johnson: EU will nichts von Verzögerung hören
Der Premierminister zeigte sich angesichts der Niederlage angesäuert und störrisch. Die EU wolle bestimmt nichts von einer Verzögerung hören, behauptete Boris Johnson. Überhaupt zwinge das Gesetz ihn nicht, einen Brief nach Brüssel zu schreiben.
Er hatte unrecht. Und das wusste er auch. Der sogenannte Benn-Act verpflichtete ihn dazu, bis Mitternacht bei der EU schriftlich zu beantragen, dass die Brexit-Frist um drei Monate verlängert wird - für den Fall, dass bis dahin kein Vertrag mit der EU verabschiedet ist. Das Parlament hatte den Benn-Act vor wenigen Wochen gegen den Willen des Premiers durchgebracht, um einen harten Brexit zu verhindern.
Aufschub beantragt
Inzwischen hat Johnson den Aufschub in Brüssel beantragt, ohne ihn allerdings persönlich zu unterschreiben, begleitet von einem Brief, in dem er schreibt, er halte eine Verzögerung für einen Fehler. Die Frage ist, wie es jetzt weitergeht mit dem frisch ausgehandelten EU-Brexit-Vertrag.
Die Regierung könnte nächste Woche versuchen, erneut über ihn abstimmen zu lassen. Die Opposition werde das aber nicht durchgehen lassen, versicherte der Labour-Vorsitzende Corbyn: "Das Thema wird am Montag wieder im Unterhaus auf dem Tisch sein. Und ich hoffe, die Abgeordneten werden ihre Ansicht wiederholen, dass wir mit den Vorschlägen des Premiers nicht einverstanden sind und sicherstellen, dass wir uns nicht ohne Vertrag aus der EU stürzen."
Zehntausende für zweites Referendum
Im Regierungsviertel Westminster kamen gestern Nachmittag Zehntausende Menschen zusammen, um ein zweites Referendum zu fordern. Mit Plakaten wie "Europa, wir werden dich niemals gehen lassen" und mit EU-Flaggen und Sprechchören zogen sie durch die Stadt. "Wir müssen diesen Protest machen, was sonst können wir friedlich tun?", klagte ein Demonstrant. "Es muss ein neues Referendum geben. Drei Jahre ist das alte her, es war ganz anders damals, das ist eine lange Zeit."
Die Demonstranten konnten sich über Unterstützung aus der Politik freuen. Der liberaldemokratische Politiker Edward Davey sicherte den Protestlern zu, sich im Parlament für ihre Sache einzusetzen. Johnson habe gesagt, man könne für den Austritt stimmen und im EU-Binnenmarkt bleiben. "Können wir irgendetwas glauben, was unser Premier sagt?" Der Premierminister habe kein Mandat, den Brexit durchzuziehen, meint Davey.
Johnson wird bis zum 31. Oktober versuchen, ihm und seinem Kollegen das Gegenteil zu beweisen.