Parlamentswahl in Belarus Kritik nach Ende der Scheinwahlen
Ohne Zwischenfälle, mit hoher Wahlbeteiligung - so ist die Parlamentswahl in Belarus aus Sicht des Regimes gelaufen. Kritiker sprechen dagegen von Scheinwahlen. Opposition und unabhängige Beobachter waren nicht zugelassen.
In Belarus ist erstmals seit der umstrittenen Präsidentenwahl im Sommer 2020 und den darauffolgenden Massenprotesten ein neues Parlament gewählt worden. Die landesweite Abstimmung sei ohne Zwischenfälle verlaufen, teilte die Wahlkommission in Minsk nach Schließung der Wahllokale mit.
Die Beteiligung an der Abstimmung wurde mit 72,98 Prozent angegeben, angeblich 40 Prozent schon mit vorzeitiger Stimmabgabe von Dienstag bis Samstag. Neben 110 Abgeordneten des Parlaments wurden auch rund 12.000 Vertreter von Kommunalversammlungen neu gewählt. Ergebnisse wurden bislang nicht genannt.
Weder frei noch fair
Die Wahl gilt jedoch weder als unabhängig noch als frei. Unabhängige Wahlbeobachter aus dem Westen hat die Regierung von Machthaber Alexander Lukaschenko nicht eingeladen. Insgesamt waren nur vier Parteien zugelassen, die alle auf dem Kurs Lukaschenkos liegen. Rund ein Dutzend anderer Parteien wurde im vergangenen Jahr von der Wahl ausgeschlossen.
Die USA verurteilten die Abstimmung daher als Scheinwahlen. Die Wahlen wurden "in einem Klima der Angst abgehalten, in dem keine Wahlprozesse als demokratisch bezeichnet werden können", sagte der Sprecher des Ministeriums, Matthew Miller.
Die ins Exil geflohene Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja nannte die Wahl eine sinnlose Farce. "Es stehen keine Personen auf dem Stimmzettel, die echte Veränderungen anbieten würden, weil das Regime nur Marionetten die Teilnahme erlaubt hat, die ihm genehm sind", teilte Tichanowskaja in einem Video mit. Die Opposition, die zu einem Boykott der Wahl aufgerufen hatte, kritisierte, dass Wahlurnen tagelang ungeschützt zugänglich gewesen seien. Das habe Tür und Tor für Manipulationen geöffnet.
Lukaschenko will bei Präsidentschaftswahl erneut antreten
Lukaschenko kündigte bei dem Urnengang seine erneute Kandidatur auch bei den nächsten Präsidentschaftswahlen an. Ein Datum wurde nicht genannt. "Kein verantwortungsbewusster Präsident wird sein Volk im Stich lassen, das ihm in die Schlacht gefolgt ist", sagte er nach Angaben der Staatsmedien an die Adresse der kaum noch vorhandenen Opposition gerichtet. "Machen Sie sich keine Sorgen, wir werden es so machen, wie es für Belarus notwendig ist."
Der 69-Jährige führt Belarus seit 1994. Er ist einer der engsten Verbündeten von Russlands Machthaber Wladimir Putin. Russland startete seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine vor zwei Jahren auch von belarusischem Gebiet aus.
Nach den letzten Präsidentschaftswahlen 2020 kam es zu wochenlangen Protesten in Belarus. Lukaschenkos Kritiker warfen ihm Wahlmanipulation vor - die EU erkennt Lukaschenko nicht mehr als Staatschef an. Mehr als 35.000 Menschen wurden verhaftet, Tausende sollen in Polizeigewahrsam misshandelt worden sein. Unabhängige Medien und Nichtregierungsorganisationen wurden geschlossen und verboten.
Vorwurf der Wahlbeeinflussung
Das Menschenrechtszentrum Wjasna - dessen Gründer Ales Bjaljazki inhaftiert ist - teilte mit, Studenten, Soldaten, Lehrkräfte und andere Staatsbedienstete seien gezwungen worden, frühzeitig ihre Stimme abzugeben. "Die Behörden nutzen alle verfügbaren Mittel, um für das von ihnen benötigte Ergebnis zu sorgen", teilte Wjasna-Vertreter Pawel Sapelka mit.
Erstmals wurden bei dieser Wahl die Vorhänge von den Wahlkabinen entfernt. Wählern wurde zudem untersagt, Fotos von ihren Stimmzetteln zu machen. Bei der Wahl 2020 hatten Gegner Lukaschenkos Wähler dazu aufgerufen, ihre Stimmzettel zu fotografieren und so die Stimmen gegen den Machthaber zu dokumentieren.
Die OSZE hat seit 1995 keine einzige Wahl in Belarus als frei und fair eingestuft. Sie monierte, die Entscheidung gegen eine Einladung ihrer Wahlbeobachter bedeute, dass Belarus keine "umfassende Einschätzung durch ein internationales Gremium" bekomme. Die Achtung der Menschenrechte im Land gehe weiter zurück.