Reaktionen auf US-Angriffe in Nahost Warnungen vor einer weiteren Eskalation
Die Sicherheit der Region stehe am "Rande des Abgrunds", die Konsequenzen seien unvorhersehbar: Der Irak und Syrien haben die nächtlichen US-Angriffe verurteilt. International wächst die Sorge vor einer weiteren Verschärfung der Spannungen.
Der Irak und Syrien haben die nächtlichen US-Luftangriffe auf mutmaßliche Stellungen pro-iranischer Milizen in beiden Ländern scharf kritisiert. Der irakische Regierungssprecher Bassem al-Awadi erklärte, die Sicherheit des Irak und der Region stehe aufgrund der Angriffe "am Rande des Abgrunds". Er wies "falsche Vorwürfe" zurück, wonach es vor den Bombardierungen eine "Abstimmung" mit der US-Regierung gegeben habe. Bei den Angriffen seien in dem Land mindestens 16 Menschen getötet worden, darunter auch Zivilisten. Zudem habe es 36 Verletzte gegeben.
Ein irakischer Militärsprecher sagte, die Angriffe verletzten die Souveränität des Landes. Sie stellten eine Bedrohung dar, "die den Irak und die Region in unvorhersehbare Konsequenzen hineinziehen wird, und ihre Folgen werden für die Sicherheit und Stabilität im Irak und in der Region schrecklich sein".
Das syrische Außenministerium erklärte, was die USA getan hätten, habe dazu beigetragen, den Konflikt im Nahen Osten auf sehr gefährliche Weise anzuheizen. Die Staatsagentur Sana zitierte das Verteidigungsministerium mit der Aussage, die Angriffe seien "ein Versuch, die Fähigkeiten der syrischen Armee und ihrer Alliierten beim Kampf gegen Terrorismus" zu schwächen. Die "US-Aggression" habe mehrere Zivilisten und Militärangehörige getötet und schwere Schäden verursacht. Der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London zufolge wurden in Syrien mindestens 29 Mitglieder pro-iranischer Milizen getötet.
Vergeltungsangriffe nach Tod dreier US-Soldaten
Das US-Militär hatte nach eigenen Angaben in der Nacht mehr als 85 Ziele in Syrien und im Irak angegriffen, die mit den iranischen Revolutionsgarden und von ihnen unterstützten Milizen in Verbindung stehen. Damit reagierten die USA auf den gewaltsamen Tod dreier US-Soldaten, die vor einer Woche in Jordanien nahe der Grenze zu Syrien getötet wurden. Die Regierung in Washington macht dafür radikale und vom Iran unterstützte Milizen verantwortlich. Seit Mitte Oktober gab es mehr als 165 Angriffe auf Stützpunkte im Irak, in Syrien und in Jordanien, auf denen Soldaten der US-Armee und ihrer Verbündeten stationiert sind.
Es sei nun darum gegangen, die Fähigkeiten der iranischen Revolutionsgarden und ihrer Verbündeten in der Region zu schmälern, weitere Attacken auf US-Kräfte zu verüben, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates des USA, John Kirby. Präsident Joe Biden kündigte an, die US-Vergeltungsangriffe würden zu gegebener Zeit weitergehen.
Die Angriffe richteten sich nach Angaben der USA gegen pro-iranische Ziele im Irak und Syrien. Lokale Medien berichteten, im Irak seien Stellungen in Al Qaim sowie die Kommandozentrale der pro-iranischen Volksmobilmachungeinheiten an der Grenze zu Syrien getroffen worden.
Iran: "Strategischer Fehler"
Kritik an den US-Angriffen kam auch aus dem Iran. Sie verletzten die Souveränität und die territoriale Integrität der beiden Länder, erklärt der Sprecher des Außenministeriums, Nasser Kanaani. Die Angriffe stellten "einen weiteren abenteuerlichen und strategischen Fehler der Vereinigten Staaten dar, der nur zu einer erhöhten Spannung und Instabilität in der Region führen wird".
Der Sprecher warf den USA vor, damit israelische Kriegsverbrechen in Gaza vertuschen zu wollen. Dies sei eine "strategische Fehlkalkulation" der US-Regierung und werde Washington nur noch weiter in den Konflikt zwischen Israel und Palästina hereinziehen.
"Kessel, der explodieren" könnte
International wächst die Sorge vor einer weiteren Eskalation in der Region. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell warnte vor einer Zuspitzung der Spannungen. Der Nahe Osten sei ein "Kessel, der explodieren" könne, sagte er am Rande eines informellen EU-Außenministertreffens in Brüssel. Man rufe alle Beteiligten auf, sich darum zu bemühen, eine Eskalation zu vermeiden.
Laut Nachrichtenagenturen gab es aus dem Kreis der Außenministerinnen und Außenminister der EU-Staaten unterdessen unterschiedliche Kommentare zu den jüngsten Entwicklungen. "Wir haben in den letzten Wochen Angriffe auf US-Stützpunkte gesehen, wo auch US-Staatsangehörige ums Leben gekommen sind. Das war unverantwortlich", sagte die deutsche Europastaatsministerin Anna Lührmann bei dem EU-Treffen in Brüssel. Die USA reagierten auf diese Angriffe, um zu verhindern, dass diese sich wiederholen, und hätten klargestellt, dass sie keine Eskalation im Nahen Osten wollten.
Die belgische Außenministerin Hadja Lahbib äußerte sich hingegen deutlich kritischer. Sie sagte, es gebe nun das echte Risiko, dass sich die Nahost-Krise ausweite. Der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski hingegen erklärte: "Irans Stellvertreter spielen seit Monaten und Jahren mit dem Feuer - und jetzt verbrennt es sie."
London: "Unterstützen Recht, auf Angriffe zu reagieren"
Großbritannien wiederum signalisierte Unterstützung. "Großbritannien und die USA sind treue Verbündete. Wir würden ihre Einsätze nicht kommentieren, aber wir unterstützen ihr Recht, auf Angriffe zu reagieren", erklärt ein Sprecher der britischen Regierung. "Wir verurteilen seit Langem die destabilisierenden Aktivitäten des Irans in der gesamten Region, einschließlich seiner politischen, finanziellen und militärischen Unterstützung einer Reihe militanter Gruppen."
Die USA und Großbritannien haben im vergangenen Monat koordinierte Angriffe auf die Huthi-Rebellen im Jemen begonnen, die ihrerseits wiederholt Handelsschiffe im Roten Meer angegriffen haben. Die Huthi, die vom Iran unterstützt werden, werten ihre Attacken als Akt der Solidarität mit der Hamas im Gazastreifen.