Eilantrag Südafrikas zu Gaza Höchstes UN-Gericht entscheidet über Antrag zu Waffenruhe
Israel will mit "gezielten Einsätzen" die Hamas in Gaza zerschlagen. Südafrika spricht von einem "Völkermord" und fordert vor dem Internationalen Gerichtshof den sofortigen Abzug. Heute entscheidet das UN-Gericht über den Eilantrag.
Heute steht beim höchsten UN-Gericht eine Entscheidung an, die den politischen Druck auf Israel erhöhen könnte: Am Nachmittag will der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag seine Entscheidung zu einem Antrag Südafrikas verkünden, der eine Waffenruhe im Gazastreifen einfordert.
Südafrika argumentiert mit seinem Eilantrag, es gehe darum, einen Völkermord an Palästinensern zu verhindern. Zur Begründung hieß es, dass die bisherigen Maßnahmen des Gerichts im Zusammenhang mit dem Krieg in Gaza nicht ausreichend seien. In zwei Entscheidungen hatten die UN-Richter Israel bereits verpflichtet, alles zu tun, um einen Völkermord zu verhindern und humanitäre Hilfe zuzulassen.
Südafrika verlangt deshalb den sofortigen Rückzug der israelischen Truppen aus dem Gazastreifen - einschließlich aus der Stadt Rafah. Entscheidungen des Weltgerichts sind bindend. Allerdings besitzen die UN-Richter keine Machtmittel, um einen Staat zur Umsetzung zu zwingen. Sie können aber den UN-Sicherheitsrat aufrufen, in der Sache tätig zu werden.
Israels Armee: 180 Terroristen getötet
Seit Anfang Mai führt Israels Armee eigenen Angaben zufolge "gezielte" Einsätze in der Grenzstadt Rafah im Süden des Gazastreifens aus, wo sie die letzten verbleibenden Hamas-Bataillone verortet und zerschlagen will. Die eigenen Bodentruppen hätten nun das Gebiet Schabura erreicht, gab der israelische Armeesprecher Daniel Hagari am Donnerstagabend bekannt. "Wir stürmen Rafah nicht, sondern wir gehen vorsichtig und präzise vor", betonte Hagari.
"Bislang haben wir mehr als 180 Terroristen in Rafah eliminiert", sagte Hagari. Die Armee habe außerdem Abschussvorrichtungen und Raketen zerstört, die auf israelisches Gebiet abgefeuert werden sollten. Zudem seien unterirdische Tunnel der Hamas und Schächte ausgehoben worden.
"Die Operation vor Ort ist intensiv und entschlossen, mit schwierigen Gefechten in komplexen Gebieten", erläuterte der Sprecher. Es hätten nach Israels Evakuierungsaufrufen inzwischen rund eine Million Zivilisten die Stadt verlassen.
USA lehnen große Bodenoffensive ab
Vor dem Beginn des Einmarsches der israelischen Armee hatten mehr als eine Million Binnenflüchtlinge aus anderen Teilen des Gazastreifens in Rafah Schutz gesucht. Die Stadt ist nach fast acht Monaten Krieg die letzte halbwegs intakte Stadt im Gazastreifen. Mit dem Erreichen von Schabura kämpfe die Armee inzwischen in der Nähe des Stadtzentrums von Rafah, schrieb die New York Times.
Die USA als Israels wichtigster Verbündeter hatten zuletzt erklärt, die Einsätze in Rafah hätten bislang nicht das Ausmaß erreicht, vor dem die US-Regierung gewarnt hat. Die USA lehnen eine große israelische Bodenoffensive in Rafah ab.
Die bisherigen israelischen Einsätze "waren gezielter und begrenzter und umfassten keine größeren Militäroperationen im Zentrum dicht besiedelter städtischer Gebiete", hatte der Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, am Mittwoch gesagt. "Wir müssen nun abwarten, wie sich die Lage weiter entwickelt", fügte er hinzu.
Minister Gantz will Untersuchungskommission
Innenpolitisch erhöht sich der Druck auf Premierminister Benjamin Netanyahu, endlich aufzuklären, warum Hamas-Terroristen am 7. Oktober nahezu ungehindert auf israelisches Staatsgebiet vordringen konnten. Im Zuge des Angriffs verübten sie Massaker an mehr als 1.200 Menschen und verschleppten mehr als 250 Geisel in den Gazastreifen. Der Überfall ist Anlass für Israels Militäroffensive im Gazastreifen.
Benny Gantz, Minister in Israels Kriegskabinett, sprach sich für eine Untersuchungskommission aus. "Es reicht nicht aus, dass wir die Verantwortung übernehmen für das, was passiert ist - wir müssen die Lehren daraus ziehen und so handeln, dass es nie wieder passiert", sagte er in einer Videobotschaft auf der Plattform X vom Donnerstagabend.
Israel hofft auf neue Geiselverhandlungen
Regierungschef Netanyahu hatte zuvor in einer Stellungnahme bestritten, vom Militär Warnungen über einen möglichen Angriff aus dem Gazastreifen erhalten zu haben. Dabei hatten Späherinnen an der Grenze zum Gazastreifen Medienberichten zufolge vor dem Überraschungsangriff der Hamas immer wieder vergeblich vor verdächtigen Vorgängen in dem abgeriegelten Küstengebiet gewarnt.
Fünf dieser Späherinnen, die bei am 7. Oktober verschleppt worden waren, waren am Mittwoch in Videoaufnahmen der Hamas-Terroristen zu sehen. Die Eltern der jungen Frauen hatten der Veröffentlichung in der Hoffnung zugestimmt, dass die schlimmen Bilder zur Freilassung ihrer Töchter und anderer Geiseln in einem Deal zwischen Israel und der Hamas beitragen könnten.
Nach Informationen israelischer Medien wird CIA-Direktor Bill Burns in den kommenden Tagen zu einem Treffen mit dem Chef des israelischen Auslandsgeheimdiensts Mossad, David Barnea, nach Europa reisen, um zu versuchen, die festgefahrenen Gespräche über eine Freilassung der Geisel und eine Waffenruhe wiederzubeleben.